SCHNÜFFELSTAATLesedauer ca. 2 Minuten

Wunderbar. Da hat sich die SVP wieder mal auf die urliberalen Prinzipien zurückbesonnen. Und wehrt sich gegen zu viel Staat… Schnüffelstaat. Darum hat sie sogar das Referendum angekündigt, gegen das neue Sozialhilfegesetz, das diesen Montag im Zürcher Kantonsrat eine klare Mehrheit fand. Dass die Behörden neu auch Drittpersonen nach den Lebensumständen der Sozialhilfebezüger befragen können, WG-MitbewohnerInnen, Eltern oder einen allfälligen Arbeitgeber, und dies alles ohne Zustimmung der Betroffenen: Das gehe dann doch zu weit! Man stelle sich doch nur einmal vor, die Steuerbehörden könnten einfach die wesentlichen Kontendaten direkt bei den Banken in Erfahrung bringen.

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Schön wäre es. Aber leider stimmt davon nur eins: die Referendumsankündigung. Und der Grund ist nicht die Empörung über die Schüffelei. Sondern ganz im Gegenteil. Das Referendum will die selbsternannte Volkspartei ergreifen, weil neu vorläufig aufgenommene Flüchtlinge endlich auch die gleiche Sozialhilfe wie SchweizerInnen erhalten sollen. Das entspricht dem Integrationsauftrag für diese Menschen. Ein Auftrag, der im neuen Ausländergesetz festgeschrieben ist. Ein Gesetz, das immerhin vom damaligen Bundesrat Blocher durchs Parlament begleitet und im Laufe dieses Prozesses klar verschärft wurde. Aber das ist nun ja lange her.

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Offenbar feiert bei den Rechtsbürgerlichen die Verelendungstheorie Urständ. Ausländer will man gar nicht. Und wenn, dann am liebsten kriminell. Denn nur das bringt die Schlagzeilen, die im bereits begonnenen Abstimmungskampf zu Ausschaffungsinitiative und Gegenvorschlag gebraucht werden.

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Leider haben noch wenige Organisationen eine klare 2xNEIN Parole gefasst. Umso wichtiger ist es deshalb, dass auch Einzelpersonen sich einsetzen für Rechtsgleichheit, für Gleichheit vor dem Gesetz. Gegen zwei Verfassungsänderungen, die der frühere Bundesratssprecher Oswald Sigg in der NZZ am Sonntag treffend auf den Punkt brachte: „Wenn Kriminelle auch noch Ausländer sind, werden sie zusätzlich bestraft. Das ist Rassismus.“ Wer diese Kritik teilt, ist eingeladen, den Appell zu unterschreiben unter www.ausschaffungsinitative-2xnein.ch

Oswald Sigg schloss übrigens seinen Kommentar mit einer Frage, die den Bogen zum Einstieg schliesst: „Gemäss den Angaben des Bundesamtes für Statistik wird Sozialhilfe nur noch von 50% der Anspruchsberechtigten beantragt. Die anderen 50% – wäre das dann nicht die Missbrauchsquote der offiziellen Sozialpolitik?“

Balthasar Glättli
Erschienen als Grüne Gedanken zur Woche im PS vm 15.7.2010