Ein von mir mitunterzeichnetes Postulat von Jean-Christoph Schwab fordert den Bundesrat auf, sich Gedanken über ein „Recht auf Vergessen“ zu machen. Was heisst das? Was darf man davon erwarten? Was nicht?
Zu Recht weist Daniel Graf in seinem Blog darauf hin, dass „der radikalen Umsetzung im Web (…) enge Grenzen gesetzt“ sind und findet es „absurd, zu viel Denkzeit darüber zu verschwenden“. Daniel Grafs Schwenk ins Absurde allerdings ist mehr lustig als treffend, wenn er schreibt: „Falls der Bundesrat gerne Grundsatzdiskussionen führt schlage ich ein weiteres Gesetz vor: Alle Zeitungen im ganzen Land werden nach dem Lesen eingesammelt, um in Zukunft alle unliebsame Artikel ausschneiden und vernichtet zu können.“
Das Beispiel hinkt – nicht nur in der Rechtschreibung. Denn Zeitungen kennen das Recht auf Gegendarstellung. Man hat also zumindest die Chance, im Worst Case seinen Ruf wenn auch mühsam wieder zu erstreiten. Vorgemacht hat das exemplarisch ein vor Jahren Beschuldigter. Er habe zur Betreuung anvertraute Jugendliche in Spanien wie Tiere in Käfigen gehalten, hatten u.a. der Blick berichtet – und musste dann die Falschbehauptung auch wieder auf der Titelseite richtigstellen. Die öffentliche Ehrenrettung war zudem garniert mit einer anständigen Summe Geld.
Aber zurück zum „Recht auf Vergessen“. Im Kern will Jean-Christoph Schwabs Vorstoss nichts anderes, als es alle dem Datenschutz verpflichteten Politiker fordern müssen: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung stärken. Er fasst es selbst im Vorstoss wie folgt zusammen:
„Das Recht auf Vergessen umfasst insbesondere die Pflicht der sozialen Netzwerke, die Speicherung von personenbezogenen Daten auf ein absolutes Minimum zu beschränken, die Pflicht, die Default-Einstellung so zu programmieren, dass garantiert keine Daten öffentlich gemacht werden, sowie die Pflicht der Personen, die für die Bearbeitung der Personendaten verantwortlich sind, diese auf Gesuch der betroffenen Person definitiv zu löschen, es sei denn, es bestehe ein legitimer Grund für die Aufbewahrung.“
Angesprochen sind also professionelle Datensammler. Soziale Netzwerke. Und Suchmaschinen. Beide machen mit den gesammelten Informationen auch ihren Profit. Dass wir die gesetzlichen Grundlagen so ausgestalten sollten, dass die informationelle Selbstbestimmung nicht per AGB für immer wegbedungen werden kann, scheint mir ein legitimes politisches Anliegen zu sein. Dass man umgekehrt, wenn man eine Information mal veröffentlicht hat, auf einen Teil der informationellen Selbstbestimmung verzichtet hat, ist klar: Die Kopien, die jemand Dritter sich von den peinlichen Fotos aus pubertären Tagen gemacht haben mag, die lassen sich auch durch die ausgeklügeltsten Gesetze nicht wieder automatisch löschen.
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