Einmal mehr missbraucht die Türkei Interpol-Haftbefehle für den Versuch, regierungskritische Persönlichkeiten aus dem im Ausland in die Türkei zurückzuzwingen. Aktuell habe ich mich beim kroatischen Botschafter in der Schweiz gegen die Auslieferung von Frau Özerdem eingesetzt.
Update 4.12.2012: Vicdan Sahin Özerdem wurde in Kroatien freigelassen.
Der Missbrauch von Interpol-Haftbefehlen, um türkische Regimekritiker in die Türkei zurückzuzwingen, hat eine lange Geschichte. Die Fälle Mustafa Akgün, Naci Öztürk, Hüsseyin Sevinc und Dursun Güner sind bekannt. Ein Dossier von Solidarité sans frontièrs zeigte, wie auch die Schweiz die Folterkonvention untergräbt.
Beim Fall von Frau Özerdem ist die Schweiz nicht beteiligt – aber auch in der Schweiz hat sich eine Solidaritätsgruppe gebildet, welche sich gegen die Auslieferung der regierungskritischen Journalistin wehrt. Als Teil einer Delegation habe ich am 16.11.2012 den kroatischen Botschafter in der Schweiz besucht, um ihm unsere Besorgnis mitzuteilen und ihn zu bitten, alles in seiner Macht stehende zu tun, um in Kroatien eine rasche, positive Entscheidung gegen die Auslieferung zu erwirken.
Eine Avaaz Bürgerpetition widmet sich dem gleichen Anliegen: Die Petition online unterzeichnen.
Hintergrund (Quelle: Pressemeldung Grüne MdB Tabea Rössner)
Die in Mainz lebende Vicdan Sahin Özerdem wurde während ihres Familienurlaubs am 25. Juli 2012 in Kroatien aufgrund eines internationalen Haftbefehls festgenommen. Die Türkei beantragte die Auslieferung von Frau Özerdem. Mitte September erklärte ein kroatisches Gericht die Auslieferung in die Türkei für zulässig. Frau Özerdem hält sich zur Zeit wegen ihres sehr schlechten Gesundheitszustandes im Haftkrankenhaus in Zagreb auf. Verwandte, die Frau Özerdem besuchen durften, berichten über eine dramatische Verschlechterung ihrer gesundheitlichen Verfassung. Sie hat sehr große Angst, an die Türkei ausgeliefert und dort erneut inhaftiert zu werden. Frau Özerdem hat bereits zehn Jahre einer Haftstrafe in der Türkei gesessen. Wegen gesundheitlicher Probleme wurde ihr vor acht Jahren eine Haftunterbrechung gewährt. Zur Untersuchung flog sie in die Bundesrepublik Deutschland, wo sie als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt wurde. Inzwischen besitzt sie eine Niederlassungserlaubnis. Sie lebt in Mainz und hat einen 7jährigen Sohn.
Seit ihrer Haft in der Türkei leidet sie unter einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung, die eine Folge der Inhaftierung und Misshandlung in der Türkei ist. Die Gefahr einer Retraumatisierung mit der akuten Gefahr suizidaler Handlungen wird auch in aktuellen psychiatrischen Gutachten festgestellt.