E-Voting: wie Schlagzeilen entstehen.Lesedauer ca. 2 Minuten

Vier ParlamentarierInnen aus der jüngeren Generation und aus vier verschiedenen Parteien haben am Montag 16. September 2013 den Medien zwei Motionen vorgestellt, welche zu mehr Vorsicht beim E-Voting mahnen. Das wurde nun in 20 Minuten zu einer irreführenden Schlagzeile verdichtet.

Erfreulicherweise war das Interesse der Medien an den Vorstössen gross. Auch 20 Minuten hat mich angefragt und danach einen grösseren Beitrag online gestellt. Meine Zitate wurden mir wie vereinbart vorher zugemailt und ich konnte mein OK geben. Der Artikel ist recht ausführlich, informativ und lesenswert.
Heute morgen in früher Morgenstunde lachte mir dann aus der gedruckten 20 Minuten Ausgabe ein netter Herr entgegen, den ich – allerdings nicht so frisch – noch kurze Zeit zuvor auch im Spiegel meines Badezimmers gesehen hatte. Über seinem Konterfei prangte als Schlagzeile das Zitat „E-Voting ist erst in 10 Jahren sicher“.

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Uups. Hatte ich da gestern Zitate freigegeben, an die ich mich nicht mehr erinnerte? Kaum. Denn ich weiss ja selbst: Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Und in der Informatik, wo schon zwei drei Jahre riesige Umwälzungen bringen können, gilt das ganz besonders. Und andererseits, wenn ich dieser Meinung wäre, dass erst in 10 Jahren sichere Systeme möglich sind, dann hätte ich klipp und klar einen Totalabbruch der Übung E-Voting gefordert. Was ich ja nicht tue.
Im Text sieht man dann aber die Quelle des Zitats. Experte Niklaus Ragaz wird dort nämlich wie folgt in indirekter Rede zitiert:

Es gebe mehrere Fälle, in denen es gelungen sei, in E-Voting-Systeme einzudringen und die Ergebnisse zu manipulieren. Nach Schätzungen von amerikanischen Experten dauere es noch mindestens zehn Jahre, bis eine elektronische Stimmabgabe ohne Manipulationsgefahr möglich sei.

Daraus hat dann – so nehme ich mal an – ein gestresster Mensch auf der Abschlussredaktion oder im Layout das knackige Quote gebastelt und – merci, no news is bad news 😉 – mit meinem Konterfei illustriert.

Ich kann die werten LeserInnen meines Blogs nur versichern: Nein, ich habe im Gegensatz zu diesen amerikanischen ExpertInnen keine Kristallkugel, welche Informatik-Entwicklungen für ein Jahrzehnt voraussehen kann. Und ich bin weiterhin der Meinung, dass sichere E-Voting-Systeme theoretisch möglich und praktisch realisierbar sind. Gleichzeitig glaube ich, dass es unverantwortlich ist, Systeme mit bekannten Schwachstellen und Systeme, deren Source Code nicht veröffentlicht ist, weiter zu betreiben. Zumindest für die elektronische Stimmabgabe in der Schweiz dürfen nur Systeme zugelassen werden, die den neusten Anforderungen genügen und sowohl die individuelle Verifikation jeder Stimmabgabe durch den oder die AbstimmendeN ermöglichen als auch die Verifikation des Gesamtresultats – und dies, ohne dabei das Stimmgeheimnis zu verletzen.