«Verwundert hat mich die CVP. War das eine Reduit-Strategie?»Lesedauer ca. 4 Minuten

E-Mail-Debatte in der NZZ am Sonntag vom 8. März 2015: Balthasar Glättli freut sich, dass SVP und FDP bei den Zweitwohnungen eingelenkt haben. Gerhard Pfister widersetzt sich als Föderalist und rät zum Referendum.

Balthasar Glättli: Geschätzter Kollege, das Einschwenken von FDP und SVP auf wichtige Forderungen der Zweitwohnungsinitiative war ein Ereignis. Für mich jedenfalls: Plötzlich trug der SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz am Rednerpult die Argumente der Grünen vor. Und plädierte für Minderheitsanträge, welche fast Kopien der chancenlosen links-grünen Minderheitsanträge in der Kommission waren. Als Ratsneuling die Frage an Sie: Kam das schon öfter vor?

Gerhard Pfister: So parlamentarisch jungfräulich, wie Sie jetzt fragen, sind Sie nicht, schon gar nicht als Fraktionschef. Ausserordentlich war für mich der Zeitpunkt: Nach Entscheiden des Ständerats und der Kommission des Nationalrats ist es tatsächlich eher überraschend, dass man Initianten in fundamentalen Fragen noch entgegenkommt. Ein ähnlicher Entscheid wurde ja im Nationalrat mit der Durchsetzungsinitiative zum Thema Ausschaffung herbeigeführt. Die Gemeinsamkeit: Bedenken, ob nicht ein Referendum beziehungsweise ein Ja zu einer Initiative noch nachteiliger ist als das Vorliegende. Nach den Beschlüssen des Nationalrats zahlen die Berggebiete einen hohen Preis.

Balthasar Glättli: Verwundert hat mich die CVP. War das eine Reduit-Strategie? Stammlande Wallis verteidigen? Und im Rest der Schweiz es der FDP und SVP zu überlassen, angesichts einer starken Referendumsdrohung auf den Volkswillen doch noch einzugehen?

Gerhard Pfister: Definieren Sie bitte Volkswillen! Wir sind überzeugt, auch mit unserer Position eine Referendumsabstimmung gewinnen zu können. Es gibt in der Schweiz keine Mehrheit, die die Bergkantone ruinieren will, wie es die Initianten in Kauf nehmen. Mit Reduit hat das nichts zu tun, denn auch ich als Zuger und Flachländer habe keinerlei Interesse daran, immensen volkswirtschaftlichen Schaden in den Bergen zu wollen. Der Volkswille ist für mich das, was in Abstimmungen zum Ausdruck kommt. Das Volk hat Ja gesagt zur Zweitwohnungsinitiative, es wird auch Ja sagen zu einer Umsetzung, wie die CVP sie vorschlägt. Leider sehen das SVP und FDP seit kurzem anders.

Balthasar Glättli: Der Volkswille war es bei der – knapp – angenommenen Zweitwohnungsinitiative sicher nicht, Bestimmungen zu schaffen, die am Schluss mehr Ausnahmen definieren als der Status quo… Aber wohlan, wenn nun plötzlich die CVP gegen die Allianz von Links-Grün, Landschaftsschützern und der FDP und SVP ein Referendum ergreifen will, das gehört auch zur Demokratie. Spannend war ja, dass Freisinn und SVP ganz offensichtlich realisierten, dass ein Referendum von unserer Seite gegen ihre absolut untaugliche Umsetzungsvorlage durchaus Erfolgschancen hätte. Umgekehrt habe ich da absolut keine Angst. Zudem ruinieren sich die Bergkantone selbst, wenn sie den wuchernden Zweitwohnungsbau nicht in den Griff kriegen. Immerhin sind es Berge, Aussicht, Ferienkulisse, welche die Gäste suchen. Nicht zugebaute Hänge und leere Häuser.

Spannend ist aber natürlich auch der Zusammenhang mit der Initiativenflut der SVP. Faktisch rettete sich hier die SVP in extremis vor einem kraftvoll getretenen Eigentor. Wie soll man der Welt noch erklären, dass man zur Umsetzung der eigenen Volksinitiative bereits eine Durchsetzungsinitiative eingereicht hat, wenn man den Volkswillen, dann, wenn er einmal nicht nach dem eigenen Gusto ausfällt, vollkommen übergeht.

Gerhard Pfister: Selbst wenn die Bergkantone sich selbst ruinieren würden, was ich vehement bestreite, geht das die Städter nichts an, das ist gut eidgenössisch föderalistische Ordnung. Sich selbst Zweitwohnungen en masse beschaffen, wie die Familie Weber, dann aber, wenn es einem selbst genügt, den Bergkantonen vorschreiben, sie sollen gefälligst die Idylle für die Städter bewahren, hat Ähnlichkeiten mit dem Verhalten der Alt-68er, die etwa die halbe Toskana, das Tessin, das Engadin und andere edle Destinationen aufkauften, um sich dort saturiert linken Luxus zu genehmigen. Ob die CVP gegen diese unheilige Allianz das Referendum ergreift, ist derzeit offen. Ich würde es machen.

Balthasar Glättli: Da zitiere ich gerne einen gewissen Gerhard Pfister: «Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie den Absender disqualifizieren und nicht auf die Argumente eingehen», warfen Sie mir vor zwei Wochen vor.

Zur Sache: Raumplanung ist zu Recht einer jener planerischen Bereiche, welcher eben nicht einfach auf Gemeinde- und allenfalls auf Kantonsebene geregelt werden kann. Das Wallis hat bereits, als es um die Einzonung von Bauland ging, vollkommen übermarcht. Das führt den Sinn der Raumplanung, nämlich eine koordinierte Entwicklung des Siedlungsraums, ad absurdum. Sie können öffentliche Infrastruktur, Schiene und Strasse nicht effizient planen, wenn jeder einfach sein Häuschen hinstellen kann, wo er will.

Gerhard Pfister: Touché, was die Personenkritik angeht, Widerspruch, was die Haltung der Initianten betrifft. Ich bringe Ihnen kommende Woche gerne «Die Toscana-Therapie» von Robert Gernhardt als Lektüre mit in die Session! Die Einzonung von Bauland muss in der Kompetenz der Kantone bleiben, gerade weil im Kanton Wallis viele Familien dadurch ökonomische Sicherheit haben. Wenn die Walliser das so wollen, wo sie es tun dürfen, ist es nicht Sache der Zürcher, das schön oder hässlich zu finden. Echter Föderalismus bedeutet, Entscheide anderer Kantone zu akzeptieren, gerade wenn man selbst anders entschieden hätte.

Quelle: NZZ am Sonntag, 8.3.2015