Die FIZ lud mich als Redner ein für das 30jährige Jubiläum am 21.11.2015. Hier ist die Rede dokumentiert.
Hier mein Redemanuskript (einen Teil der Rede hielt ich frei):
Dreissig Jahre FIZ
Vom Fraueninformationszentrum Dritte Welt 1985, einem Einfrauen-Betrieb mit viel freiwilliger Unterstützung
Über viele Zwischenschritte
Zur heutigen FIZ Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration
Mit 14 Vollzeitstellen, die unter 21 Mitarbeiterinnen aufgeteilt sind – und vielen weiteren MitarbeiterInnen im Bedarfsfall. Professionell. Kompetent. Aber weiterhin unbequem.
Dreissig Jahre FIZ
Ein Wandel des Schwerpunkts von der kritische entwicklungspolitischen Perspektive, welche die Anfänge des FIZ unter der Gründerin und ersten Präsidentin Regula Renschler prägte, mit dem Schwerpunkt auf Recherche, Information und Aufklärung der Öffentlichkeit
Hin zum Fokus auf frauenpolitische Fragen, mit klarer parteilicher Sozialberatung – also nicht einfach eine Sozialarbeitsstelle, die der öffentlichen Hand Probleme löst, die mit auch durch die offizielle Politik, die gesetzlichen Rahmenbedingungen gerade im Ausländerrecht geschaffen werden, sondern die hartnäckig hinter den Kulissen und auch auf dem politischen Parkett versucht, die Rahmenbedingungen zu ändern, zu verbessern,
Dreissig Jahre FIZ
Liebe Gäste des FIZ Jubiläums
Mitarbeitende von heute und früher,
Partnerinnen und Partner aus dem grossen Netzwerk von NGOs aber auch Behörden,
Klientinnen, Mitglieder, SpenderInnen und TrägerInnen
Wir alle feiern heute auch das, was durch all diesen Wandel, die Weiterentwicklung hin konstant geblieben ist, und was der FIZ auch weiter den Weg weisen wird.
Und es ist mir eine Ehre, mit Ihnen, mit euch ein paar Gedanken zu teilen zu dürfen, was die FIZ für mich ganz persönlich bedeutet
Für mich bedeutet das Folgende FIZ:
– sich berühren lassen durch Fakten und Schicksale, nicht abgehärtet, kalt und zynisch werden, sondern die Empörung, das Erschrecken als Anstoss nehmen, AKTIV zu werden
so wie es ganz am Anfang eine Begegnung mit einer betroffenen Frau war, die für Regula Renschler den Anstoss gegeben hat, einer Frau, die von einem Schweizer aus einer karibischen Insel mit falschen Versprechen in die Schweiz gelockt wurde, ins Bordell, zur Prostitution gezwungen.
– Sich berühren lassen. Aber dabei nicht die eigenen Emotionen ins Zentrum stellen, diese Gefühle: das darf doch nicht sein, aufhören muss dass!, verboten werden!
– Sondern hinschauen und hinhören, die Betroffenen zu Wort kommen lassen, ihre Geschichte hören und auch weitererzählen
– sich irritieren lassen und auch die eigenen Annahmen immer wieder in Frage stellen
So wie in der Geschichte der FIZ der Kampf gegen Menschen-, gegen Frauenhandel mit der Zeit sich erweiterte um die Erkenntnis, dass nicht alle Frauen einfach immer Opfer sind, sondern auch eigene Perspektiven haben, eigene Entscheidungen fällten, und auch selbstbestimmt ihrem Gewerbe nachgehen – und dass für jede dieser Gruppen unterschiedliche Forderungen zu stellen sind.
Dieser Wandel ist nur möglich, wenn man die Realität an sich heranlässt und sich auf Augenhöhe begegnet.
– Die FIZ bedeutet für mich aber auch, nicht beim Vordergründigen stehen bleiben, nicht beim Einzelfall, sondern immer auch die Hintergründe erkunden, die sozialen, die ökonomischen, die politischen Bedingungen ausleuchten und wo nötig kritisieren.
– Die FIZ hat mir immer wieder vor Augen geführt:
die Realität ist nicht einfach schwarz und weiss sondern oft grau
und manchmal auch bunt
(Exkurs)
Querfront: Frauenbefreiung / Islam
Wenn jene sich an die Speerspitze der Frauenbefreiung stellen wollen, welche ihren politischen Aufstieg mit dem Kampf gegen das neue Eherecht einleiteten
Sich gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe stellten mit dem Argument, der Staat habe unter der Bettdecke nichts zu suchen
…die gleichen, die nun hinter jeder Ehe zwischen Migrantinnen und SchweizerInnen nur Scheinkonstrukte vermuten zur Erschleichung des Aufenthaltsrechts
Und das Bleiberecht von Frauen, die aussagen gegen Menschenhandeld
Nicht etwa endlich vernünftig sichern, sondern wieder einschränken wollen – das wäre ja eine Einladung zum Missbrauch, da könnte ja jede kommen und erzählen, sie sei ein Opfer von Menschenhandel…
Für mich ist klar:
Es darf nicht sein, dass der Preis für die «Rettung», den Respekt, die Strafe von Tätern der ist, dass Frauen sich nur noch als Opfer verhalten dürfen.
Und es darf vor allem nicht sein, dass der Schutz der Opfer von der Politik zur Begründung genommen wird für repressive Massnahmen, welche viel eher das eigene Gewissen der Politiker beruhigen, als die Situation der Frauen im Alltag zu verbessern und ihnen Sicherheit und einen geregelten Aufenthalt zu gewähren.
Weil die FIZ nicht nur Erfolge hat, sondern die Arbeit leider nicht kleiner wird sondern mehr,
und auch bitter nötig bleibt, angesichts der politischen Entwicklung vielleicht gar nötiger denn je,
darum feiern wir heute nicht nur, sondern die Geburtstagsfeier ist gleichzeitig eine beneFIZparty. Ihnen allen, die mitfeiern, gebührt deshalb im Namen der FIZ auch mein Dank – und ich möchte nicht schliessen, ohne einen Aufruf, die FIZ auch im Alltag zu unterstützen. Jede und jeder an ihrem an seinem Platz – als Privatperson durch eine Spende und das Werben von Mitgliedern. Als politische Engagierte durch die Unterstützung der Anliegen und die Berücksichtigung der sorgfältigen Analysen in der eigenen Arbeit. Als Partner in der alltäglichen Arbeit durch den Respekt vor der professionellen Arbeit und eine konstruktive Zusammenarbeit – auch wenn man sich teils in unterschiedlichen und vielleicht auf konfliktiven Rollen begegnet.
In dem Sinne: herzliche Gratulation der FIZ!