Das Geld gehört den SteuerzahlernLesedauer ca. 4 Minuten

Der plötzliche Überschuss beim Bund hilft laut Gerhard Pfister der CVP-Initiative. Balthasar Glättli möchte investieren, und er beruft sich auf Oswald Grübel.

Balthasar Glättli: Geschätzter Kollege, einmal mehr verkündete der Bundesrat Weihnachten im Februar. Statt 400 Millionen Franken weist die Staatsrechnung 2015 einen Überschuss von sage und schreibe 2,3 Milliarden Franken aus. Mir kommt es stark so vor, dass der Bundesrat im Budget Jahr für Jahr schwarzmalt, dem Parlament so eine scheinbare Begründung für Sparprogramme gibt – und dann Jahr für Jahr riesige Überschüsse einfährt. Halten Sie das für seriös?

Gerhard Pfister: Nein, das ist nicht seriös, sondern dilettantisch. Aber natürlich good news für die CVP-Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe! Der Staat zieht den Steuerzahlenden Jahr für Jahr zu viel Geld aus der Tasche. Deshalb sind zwei volle Renten auch für Verheiratete machbar.

Balthasar Glättli: Wenn fast 90 Prozent aller Ehepaare – die NZZ hat es uns jüngst vorgerechnet – im Vergleich zu den unverheirateten Paaren bevorteilt oder mindestens gleich behandelt werden, ist es kaum angebracht, von einer Heiratsstrafe zu reden. Wenn man bloss die reichsten Doppelverdiener-Ehepaare entlastet, ist das keine Familienpolitik. Und wenn dafür die Konkubinatsstrafe erhöht wird, führt das nicht zu mehr Gerechtigkeit. Immerhin: Mit Ihrer Antwort geben Sie zu, dass Ihre Initiative viel zu viel kostet. Ich würde anfügen: Nur um denen etwas zu bringen, die es nicht brauchen.

Gerhard Pfister: Die NZZ ist in dieser Frage Parteizeitung der FDP – im Gegensatz zum überparteilichen Bundesgericht, dessen Entscheid von der Politik seit 30 Jahren missachtet wird und den wir jetzt umsetzen müssen. Die Initiative kostet nicht zu viel, wie Sie meinen, sondern korrigiert die ungerechtfertigten Staatseinnahmen, die nicht gerecht und zu viel sind. Aber um zu unserem Thema zurückzukommen: Was schlagen Sie denn vor, was der Bundesrat künftig besser machen soll in seiner Finanzpolitik?

Balthasar Glättli: Gleich, aber zuerst noch dies: Die CVP schlägt vor, die Überschüsse aus der Staatsrechnung für AHV, Bekämpfung des Fachkräftemangels und Infrastrukturprojekte einzusetzen. Wohlan. Aber gleich viermal können Sie die 2,3 Milliarden Franken nicht ausgeben, welche schon Ihre Initiative kosten würde. Was der Bundesrat besser machen sollte? Zuerst einmal ganz banal seine Arbeit: ein genaueres Budget. Und zweitens eine ehrliche Ansage – dass es nämlich immer Kreditreste geben wird. Und dass darum Schwarzmalerei und schädliche Sparprogramme so nötig sind wie ein Kropf.

Gerhard Pfister: Jetzt sind Sie widersprüchlich, indem Sie sich finanzpolitisch restriktiv geben bei der CVP, anderseits Sparen als schädlich bezeichnen. Die Schuldenbremse ist etwas vom Erfolgreichsten, was die Schweizer Politik hervorbrachte in den letzten 20 Jahren. Sie diszipliniert das Parlament. Andere Länder versuchen jetzt, das verzweifelt zu kopieren. Die CVP schlägt vor, dass künftig bei solchen Überschüssen ein Teil davon in langfristige und nachhaltige Projekte wie AHV oder Infrastruktur investiert werden soll. Sind Sie wenigstens dafür zu haben?

Balthasar Glättli: Es ist kein Widerspruch, wenn man 2,3 Milliarden Franken jährliche Mehrausgaben für reiche Doppelverdiener ablehnt und gleichzeitig übertriebene Sparprogramme kritisch hinterfragt. Aber einig bin ich mit Ihnen: Ausgaben für Bildung oder Infrastruktur sind Investitionen in die Zukunft. Da kann man sich finden. So verlangten wir – als Antwort auf die Frankenstärke – auch einen Ausbau der Förderprojekte der Kommission für Technologie und Innovation. Die CVP stimmte mehrheitlich zu – Sie leider nicht. Aber vielleicht dürfen wir da ja künftig mit Ihnen als CVP-Präsident auch auf Ihre Unterstützung zählen!

Gerhard Pfister: Gerade hier muss man aufpassen. Wenn man Überschüsse teilweise nicht mehr vollständig für den Schuldenabbau verwenden will, muss man diese in Projekte investieren, die langfristig und nachhaltig sind, und nicht Partikularinteressen bedienen. Nur unter dieser Bedingung bin ich bereit, überhaupt darüber nachzudenken, ob man die bisherige Regelung aufgeben soll. Verteilkämpfe im Parlament kommen nicht gut heraus. Das Geld gehört den Steuerzahlenden, denen ist es zurückzuerstatten, indem man die Schulden reduziert oder allenfalls dort investiert, wo es allen Steuerzahlenden gleichmässig zugutekommt, also beispielsweise in die AHV oder in Infrastruktur. Weitere Bedingung: Sollten die Zinsen wieder stark steigen, muss die Möglichkeit bestehen, wieder alles in den Schuldenabbau zu geben. Angesichts der jetzigen Bedingungen ist es aber klüger, teilweise zu investieren, statt ausschliesslich die Schulden abzubauen.

Balthasar Glättli: Da treffen wir uns. Nur wenn ein breiter Nutzen für alle resultiert, sind solche Investitionen gerechtfertigt. Öffentlicher Verkehr, Ausbau der Telekommunikation oder Energiewende sind da die richtige Antwort. Und ich ginge sogar noch weiter: Dafür dürfte der Bund, angesichts der Nullzinsen, gar Geld aufnehmen. So wie dies Oswald Grübel vor Jahresfrist vorschlug. Sind Sie dabei?

Gerhard Pfister: Ich bin dabei, wenn die Bundesfinanzpolitik sich besser auf die Marktgegebenheiten ausrichtet. Und ich bin dabei, wenn man auch über neue Finanzierungsmodelle nachdenkt sowie über Staatsfonds, wie sie andere erfolgreiche Länder wie Kanada, Norwegen oder Singapur haben – zum Wohle kommender Generationen.

Quelle: NZZ am Sonntag, 21.02.2016