Bildung: Meinen Sie, das reicht?Lesedauer ca. 4 Minuten

Gerhard Pfister sagt, zwei Prozent mehr Bildungsausgaben nenne er nicht sparen. Da erinnert ihn Balthasar Glättli maliziös an eines seiner früheren Voten.

Balthasar Glättli: Geschätzter Kollege, letzten Donnerstag stand im Nationalrat die Botschaft zu Bildung, Forschung und Innovation zur Debatte. Ein sonderbares Bild boten da FDP und CVP. Als Kommissionssprecher verteidigten Christian Wasserfallen und Christine Buillard-Marbach auch im Namen der Bildungspolitiker dieser beiden Parteien die Erhöhung des Finanzrahmens. Und wurden dann von ihren eigenen Fraktionen im Regen stehengelassen, in der CVP galt sogar Fraktionszwang… Ist das Ihre Vorstellung einer Förderung des inländischen Potenzials?

Gerhard Pfister: Hoppla, das sind etwas viel Vorwürfe auf einmal! Wegen der Wichtigkeit der Vorlage ist es erstens legitim, dass sich Fraktionen um Geschlossenheit bemühen. Von «Zwang» kann keine Rede sein. Dass die Kommission – und deren Sprecher – Entscheide fällen, die von den Fraktionen anders beurteilt werden, sollte Ihnen ja nicht fremd sein. Zweitens: Die CVP hat geschlossen alle Kürzungsanträge abgelehnt und ebenso geschlossen eine Erhöhung der Ausgaben um zwei Prozent unterstützt. Damit sind wir weiter eines der bildungsfreundlichsten Länder der Welt.

Balthasar Glättli: Den Kampf gegen eine dreifarbig gesplittete «Pizza-Fraktion», wie wir das bei uns nennen, mit grünen Jas, roten Neins und weissen Enthaltungen, kenne ich als Fraktionspräsident! Allerdings gibt es bei uns keine A-Geschäfte mit faktischem Fraktionszwang. Wir suchen, die Einigkeit durch Überzeugung und nicht durch Überstimmen hinzukriegen. So sollte es doch auch in der parteiinternen Demokratie sein! Zum Entscheid an sich lasse ich wieder einmal – in dieser Debatte – Christian Wasserfallen zu Wort kommen und stimme ihm zu. Er sagte: «Alle Massnahmen, die wir in diesem Saal beim Inländervorrang oder sonst bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative diskutieren werden, wo man vielleicht ein Inländerpotenzial erschliessen kann, sind im Vergleich zu dieser Botschaft absolute Peanuts, wenn Sie die Zahlen ansehen. Absolute Peanuts!» Meinen Sie im Ernst, dass das reicht?

Gerhard Pfister: Wenn ein Landwirt so reden würde wie Wasserfallen, würden Sie ihm Partikularismus und Eigeninteresse vorwerfen. Und wenn ich von sich selbst als seriös bezeichnenden Journalisten Titel wie «Sparhammer bei der Bildung» lesen muss, bei einem beschlossenem Ausgabenwachstum, dann komme ich zum Schluss: Bei der Bildung gilt einfach die Devise: Mehr Geld ist besser. Es kann offenbar nie genug sein. Wenn der Rektor der ETH Lausanne darauf gewartet hätte, bis er so viel Geld bekommt, wie er sich in den kühnsten Träumen gewünscht haben mag, hätte er seine Hochschule nie in die internationale Topliga gebracht. Er hatte zuerst Ideen, zeigte Unternehmertum und besass dann auch den Mut, neue Wege zu gehen, zum Beispiel mit Private Public Partnership. Dass man jetzt den Untergang des Abendlandes beschwört, weil man nur zwei Prozent mehr erhält, verstehe ich nicht.

Balthasar Glättli: Sie verdrängen, dass die Aufgaben und die Studierendenzahlen schneller wachsen als diese zwei Prozent. Und zwar massiv. In der Debatte war von vier Prozent bei den Universitäten, von elf bei den Fachhochschulen und gar von 23 Prozent bei den Pädagogischen Hochschule die Rede. Das heisst ganz simpel, dass nach dem Entscheid der Mehrheit pro Kopf nicht mehr, sondern deutlich weniger Geld vorhanden sein wird. Der Untergang des Abendlandes ist das nicht. Aber es ist nicht sehr intelligent – jedenfalls wenn man ernsthaft das Inländerpotenzial erschliessen und die Schweiz fit machen will für die Herausforderungen der Zukunft.

Gerhard Pfister: Via Konkordat erhalten aber beispielsweise die Universitäten auch Kantonsbeiträge, da steigen die Einnahmen analog zur Studierendenzahl. Die Kantone und deren Leistungen sollte man auch berücksichtigen. Manche Politiker haben die Neigung, rein inputorientiert zu denken und zu handeln. Sie berücksichtigen dabei nicht, dass kaum ein anderes Land der Bildung und Forschung derart hohe staatliche Leistungen zukommen lässt. Dahinter stehe ich übrigens voll und ganz. Aber ich erwarte dann eben auch mehr unternehmerisches Handeln, das die Zielerreichung mit den vorhandenen Mitteln anstrebt, statt maximale Forderungen zur Bedingung zu machen. Beim Nationalfonds beispielsweise führt ein massvolles Ausgabenwachstum hoffentlich zu einer besseren Überprüfung von einzelnen Projekten auf ihre Relevanz. Auch ein Erfüllen aller Wünsche hätte nicht dazu geführt, dass man sich damit lange zufrieden gegeben hätte.

Balthasar Glättli: Jener Gerhard Pfister, der das Parlament als Präsident der parlamentarischen Gruppe für Bildung, Forschung und Innovation schriftlich bat, mit der Mehrheit der Bildungskommission für die Erhöhung um 3,2 Prozent zu stimmen, hat anders argumentiert… Nur so könnten die ambitionierten Ziele des Bundes auch tatsächlich erreicht werden, schrieb mir dieser Gerhard Pfister. Nur so werde «unsere Wirtschaft über die nötigen Fachkräfte verfügen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben». Haben Sie einen Namensvetter, der sich fälschlich als Nationalrat ausgibt, Herr Kollege? Und gibt es ein Erkennungszeichen, wann der echte Gerhard Pfister mit mir spricht?

Gerhard Pfister: Der Effekt dieser Intervention war immerhin, dass man eine klare Front gegen einen Abbau ziehen konnte, dass die Mehrausgaben gesichert werden konnten. Das ist nicht selbstverständlich. In dem Sinne ist das Ziel erreicht. Die CVP entschied, es bei zwei Prozent zu belassen, und diesen Entscheid trage ich voll und ganz mit.

© NZZ am Sonntag; «Haben Sie einen Namensvetter, der sich fälschlich als Nationalrat ausgibt?»; 12.06.2016; Ausgabe-Nr. 24; Seite 18