Einige Anmerkungen zu UnterwasserLesedauer ca. 3 Minuten

In den letzten Tagen wurde ich von mehreren JournalistInnen mit Fragen zum riesigen Neonazikonzert in Unterwasser gelöchert. Publiziert wurden von meinen differenzierten Äusserungen jeweils höchstens einzelne Sätze zu Teilaspakten. Darum hier in Kürze meine persönliche Meinung.

  1. Erschreckend falsch gehandelt hat aus meiner Sicht die St. Galler Polizei. Sie hätte – allermindestens – sicherstellen müssen, dass mittels Aufnahmen Beweise gesichert werden können von den sehr wahrscheinlichen Vorstössen gegen das Antirassismus-Gesetz.
  2. Unprofessionell gehandelt hat die Polizei auch, weil sie nach entsprechenden rechtzeitigen Hinweisen des Nachrichtendiensts nicht alle für sehr grosse Veranstaltungen in Frage kommenden Veranstaltungsorte kontaktiert hat, bei denen nicht sowieso offiziell eine andere, klar harmlose Veranstaltung angekündigt war. So hätte sich das Neonazi-Konzert am einfachsten und ohne Risiko einer eskalierenden Konfrontation vor Ort verhindern lassen. Und damit auch, dass die Neonazis wohl eine sechsstellige Summe einspielen konnten.
  3. Falsch sind jene, die nun mehr Kompetenzen für den Nachrichtendienst fordern und insbesondere diesen zu einer politischen Polizei ausbauen wollen. Einerseits konnte der NDB ja die Polizei vorwarnen – seine Schuld ist es nicht, dass diese dann die konkreten polizeilichen Recherchen nicht machte. Andererseits war es nach dem Fichenskandal der 90er Jahre politisch gewollt, dass der Nachrichtendienst keine politische Betätigung und auch nicht politischen Extremismus beobachtet. Es sei denn, es gehe  um gewalttätigen Extremismus oder dessen Vorbereitung.
    BWIS Art. 3 Schranken
    1 Die Sicherheitsorgane des Bundes und der Kantone dürfen Informationen über die politische Betätigung und die Ausübung der Meinungs-, Koalitions- und Versammlungsfreiheit nicht bearbeiten. Die Bearbeitung ist jedoch dann zulässig, wenn der begründete Verdacht besteht, dass eine Organisation oder ihr angehörende Personen die Ausübung der politischen Rechte oder der Grundrechte als Vorwand nehmen, um terroristische, gewalttätig-extremistische oder verbotene nachrichtendienstliche Tätigkeiten vorzubereiten oder durchzuführen.
    Wenn schon müsste man kritisch hinterfragen, ob der NDB diese Einschränkung wirklich immer korrekt einhält – und nicht deren Abschaffung fordern!
  4. Quark erzählt CVP Präsident Gerhard Pfister auf Twitter, wenn er auf den ebenso falschen (vgl. 3) Tweet von Cédric Wermuth (aufgenommen von Beat Flach) erklärt, der Nachrichtendienst hätte darum nicht gehandelt, weil er nach altem Nachrichtendienstgesetz nicht die Kompetenz gehabt hätte – aber zum Glück sei das neue Nachrichtendienstgesetz nun ja angenommen und in Zukunft alles besser. Fakt ist nämlich: auch im neuen Gesetz ist die obige Bestimmung sinngemäss aufgenommen (und das finde ich weiterhin richtig).

    Leider in der Abstimmung angenommenes NDG Art. 5

    5 Er [=Der Nachrichtendienst] beschafft und bearbeitet keine Informationen über die politische Betätigung und über die Ausübung der Meinungs-, Versammlungs- oder Vereinigungsfreiheit in der Schweiz.
    6 Er kann Informationen nach Absatz 5 über eine Organisation oder Person aus nahmsweise beschaffen und personenbezogen erschliessen, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass diese ihre Rechte ausübt, um terroristische, verbotene nach richtendienstliche oder gewalttätig-extremistische Tätigkeiten vorzubereiten oder durchzuführen.

Nachtrag

NACHTRAG 20.10.2016: Sowohl Cédric Wermuth als auch Beat Flach haben reagiert auf meinen Beitrag. Hier unsere Unterhaltungen als Twitter-Moments.