Rückschaffungen nach ItalienLesedauer ca. 3 Minuten

Die Grüne Fraktion forderte in ihrer Motion 15.3459 unter anderem die vorläufige Suspendierung der Rückschaffungen nach Italien, solange sich die Unterkunftssituation nicht bessert. Mein Votum dafür während der Sondersession 2017.

Bei Vorstössen, die sich auf die Aktualität beziehen – und hier geht es um die Aktualität des Flüchtlingselends, um die Probleme der Dublin-Verfahren und des Dublin-Systems -, hat es so seine Bewandtnis, dass ein Teil der Forderungen nach zwei Jahren erfüllt ist. Man hätte lieber, sie wären ganz erfüllt, dann könnte man den Vorstoss einfach zurückziehen.
Was ich zuerst zurückziehen kann, ist Ziffer 1 dieser Motion. Das ist die Forderung, dass sich die Schweiz auf europäischer Ebene für ein Verteilverfahren unter allen Dublin-Staaten einsetzt. Da, muss ich sagen, kann ich der offiziellen Schweiz nicht nur keinen Vorwurf machen, sondern muss ihr ein Lob aussprechen. Sie haben diese Position immer vertreten, nicht nur intern, sondern auch nach aussen und in den entsprechenden Gremien. Wenn das noch nicht so unterwegs ist, wie es unterwegs sein müsste, dann ist das nicht der Fehler der mangelnden Anstrengung der Schweiz und von Ihnen, Frau Bundesrätin.

Hingegen möchte ich die anderen beiden Punkte der Motion zur Abstimmung bringen lassen, und zwar möchte ich – dies zuhanden des Ratsvizepräsidenten – über die Ziffern 2 und 3 separat abstimmen lassen. Bei Ziffer 2 geht es darum: Sie schreiben zwar, dass Sie sich schon engagiert und Italien auch Unterstützung angeboten haben für die Verbesserung der Unterkunftssituation von Asylsuchenden in Italien selbst, die eben dort bleiben müssen. Ich respektiere das, ich anerkenne das, aber dort könnte man, denke ich, mit relativ wenigen Mitteln noch viel bewirken.
Bauchweh macht mir die Stellungnahme zu Ziffer 3. Es geht darum, dass wir Grünen fordern, man solle die Rückschaffungen von Asylsuchenden nach Italien suspendieren, bis sich die Situation dort verbessert hat. Die Situation dort hat sich nur in einem Punkt verbessert: Die Flüchtlinge werden heute besser registriert. Aber bezüglich der Unterkunftssituation, bezüglich der medizinischen Versorgung, bezüglich der Einschulung von Kindern, bezüglich überhaupt der Achtung der Rechte der Kinder und der besonders verletzlichen Personen – Mütter, Schwangere – hat sich die Situation leider nicht verbessert. Es gibt Einzelfälle, in denen es gelingt, gute Garantien zu kriegen; im Allgemeinen ist die Situation aber nicht gut.

Der Bundesrat argumentiert, er könne nichts tun, er vertrete die Auffassung, „dass die Verpflichtungen, welche aus der Dublin-III-Verordnung resultieren, von allen Dublin-Staaten eingehalten werden müssen“. Kurz, die Schweiz sagt, dieses Verteilsystem sei starr und wir würden uns daran halten, genauso, denken wir, müssten sich auch die anderen daran halten.

Ich vertrete hier eine andere Haltung, und ich bin nicht allein. Die Grünen stützen diese Haltung, und es stützen sie auch Organisationen wie Amnesty International oder Solidarité sans frontières. Es unterstützen sie Persönlichkeiten wie Ruth Dreifuss, wie Cornelio Sommaruga, wie Dick Marty, die in ihrem Dublin-Appell die Schweiz gemeinsam auffordern, von ihrem Dublin-Recht auf Selbsteintreten Gebrauch zu machen. Es gibt eine Souveränitätsklausel in der Dublin-Verordnung, Artikel 17 Absatz 1, und ihr Sinn ist ganz klar festgehalten: Aus humanitären Gründen, z. B. um Familienangehörige beisammenzuhalten oder eben auch um Personen, die besonderen Schutz benötigen, zu schützen, kann jedes Dublin-Land autonom, souverän von den allgemeinen Bestimmungen abweichen.

Und unsere Forderung, die Forderung der Grünen, bleibt gleich, wie sie im Dublin-Appell, der notabene auch von CVP-Vertretern im Parlament unterstützt wurde, festgehalten ist: dass die Schweiz zumindest dort von ihrem souveränen Eintrittsrecht Gebrauch macht, wo es um Personen geht, die für Kleinkinder oder in der Schulpflicht befindliche Kinder verantwortlich sind, oder wo es um Personen geht, die medizinische Probleme haben. Unterstützen Sie in diesem Sinne die Ziffern 2 und 3 dieser Motion!