Bauern: Kritik am FreihandelLesedauer ca. 5 Minuten

Balthasar Glättli erklärt, warum die Grünen mit den Bauern gegen den Wettbewerb kämpfen. Die Allianz gefällt Gerhard Pfister nicht. Nur Freihandel bringe Wohlstand.

Balthasar Glättli

Geschätzter Kollege, der Showdown zwischen Bauernverbandspräsident und CVP-Nationalrat Markus Ritter einerseits und Freihandelsminister und FDP-Bundesrat Johann Schneider-Ammann andererseits ging diese Woche als Fernduell in die bisher letzte Runde. Pokern die Bauern zu hoch? Oder treffen sie vielmehr einen Nerv mit der Kritik an der ungebremsten Globalisierung?

Gerhard Pfister

Geschätzter Kollege, vieles an diesem Showdown ist auch für die mediale Galerie gedacht. Aber man muss Markus Ritter immerhin zugutehalten, dass er seine Ziele erreicht hat: Der Mercosur-Gipfel endete mit der Versicherung Schneider-Ammanns, dass die Folgen für die Landwirtschaft minim sein würden. Die Kritik am Freihandel aus Sicht der Landwirtschaft erfolgt nicht aus den gleichen Motiven wie die Ihre, nehme ich an.

Balthasar Glättli

Vielleicht mehr, als Sie meinen. Uns Grüne freuen die Perspektiven der Zusammenarbeit mit den Bauern. Nicht weil alles Gold ist, was glänzt in der Schweizer Landwirtschaft – in Sachen Pestizideinsatz ist das zum Beispiel gar nicht der Fall! –, sondern weil wir starke Partner und Partnerinnen brauchen für unser Anliegen «Fairtrade statt Freetrade». Wenn ein solcher Slogan, den ich schon 2016 in einer Rede an der grünen Delegiertenversammlung zur Resolution «Solidarität statt Freihandel und Abschottung» ins Zentrum stellte, plötzlich als Motto an der Jahrespressekonferenz des Bauernverbandes auftaucht, freut mich das. Aber klar: Das heisst noch lange nicht, dass wir Grüne uns nun in allen Fragen mit den Bauern einig sind!

Gerhard Pfister

Ich bin nicht glücklich über diese Allianz. Und ich bin überzeugt, dass sie den Interessen der Landwirtschaft langfristig schadet. Denn die Unterstützungsbeiträge, die Schweizer Bauern – zu Recht – erhalten, werden von unseren starken, exportorientierten Unternehmen erwirtschaftet. Soll das weiterhin möglich sein, müssen wir schauen, dass die Schweiz wettbewerbsfähig bleibt. Wenn die EU sich mit Südamerika auf Freihandel einigt, gerät unsere Wirtschaft ins Hintertreffen, wenn wir nichts tun.

Balthasar Glättli

Hier sind sich Grüne und Bauernverband wohl näher als der CVP-Politiker Ritter und sein Parteichef Pfister. Die Grünen sind sehr kritisch eingestellt gegenüber der industriellen Landwirtschaft. Wir sehen, dass die Produkte der Bauern heute kaum irgendwo den Preis erzielen, den sie eigentlich wert sind. Wir wollen nicht einen Wettbewerb intensivieren, bei dem es nur um die tiefsten Preise geht. Das führt in der Schweiz zu einem Bauernsterben und leistet sowohl hier wie im Ausland der umweltfeindlichen Industrialisierung der Landwirtschaft Vorschub. Also: Handel ja, aber nicht mit dem Ziel, die Preise zu drücken, sondern mit Rahmenbedingungen, welche die jeweiligen Stärken der Bauern in den einzelnen Ländern in den Vordergrund stellen und die Qualität der Produkte, den Umweltschutz und die soziale Situation der Bauern verbessern. Eben: fairer Handel statt Freihandel. Das muss den Konsumenten etwas wert sein.

Gerhard Pfister

Entschuldigung, aber das scheint mir jetzt eine Argumentation, wie sie an der Zürcher Goldküste angehen mag. Doch für die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer passt sie nicht. Sie und ich, wir können uns mit unserem Einkommen höhere Lebensmittelpreise problemlos leisten. Aber eben nicht alle in der Schweiz. Der Freihandel ermöglicht auf der andern Seite auch den Entwicklungsländern, ihre Produkte auf den westlichen Märkten absetzen zu können. Es gibt keine bessere und nachhaltigere Entwicklungszusammenarbeit als die wirtschaftliche Kooperation. Der technische Fortschritt sowohl in den Entwicklungsländern als auch in der einheimischen Landwirtschaft führt zu grösserem Wohlstand für alle statt für wenige – um eine Ihnen nahestehende Partei zu zitieren.

Balthasar Glättli

Darauf habe ich gewartet: das Preisargument! Nahrungsmittel sind heute nur ein verschwindend kleiner Teil des Warenkorbs. Die Miete ist der grösste. Wenn Ihnen wirklich daran liegt, dass bei Normalverdienenden und Ärmeren der Lohn bis ans Monatsende reicht, kämpfen Sie mit uns Grünen und den Sozialdemokraten gegen die Aushöhlung des Mietrechts, von der die Immo-Spekulanten profitieren, und für die bessere Durchsetzung des bestehenden Mietrechts. Gemäss einer Berechnung der Raiffeisenbank müssten die Mieten nach den mietrechtlichen Vorgaben 40 Prozent tiefer sein. Das schenkt ein. Fairere Preise für die Bauern hierzulande und im Ausland – ohne zusätzliche Aufschläge für Verarbeiter und Detailhändler – wären dagegen absolut bezahlbar.

Gerhard Pfister

Ich biete Hand für die Sicherung der fairen Preise für die Bauern. Deshalb bin ich ja überzeugt, dass wir wie in der Vergangenheit immer einen Ausgleich finden zwischen den Interessen der Wirtschaft und denen der Landwirtschaft. Man sollte sich da durch die Rhetorik auch nicht zu sehr beeindrucken lassen. Aber Sie weichen aus. Wir haben in der Schweiz natürlich auch auf dem Immobilienmarkt die Folgen einer kräftigen Wirtschaft, eines guten Wachstums – und auch einer starken Migration von Fachkräften – zu spüren bekommen. Letztlich sind das alles Konsequenzen, die ein derart erfolgreiches Land wie die Schweiz zu gewärtigen hat. Ich kämpfe aber lieber gegen diese Probleme als gegen die eines Landes, das kein Wachstum und deshalb auch keinen breiten Wohlstand für die Mehrheit der Bevölkerung hat. Die Marktwirtschaft ist am besten geeignet, diesen Wohlstand zu sichern – auch und gerade für die Landwirtschaft.

© NZZ am Sonntag; E-Mail-Debatte: «Fairere Preise für Bauern wären absolut bezahlbar» – «Aber nicht für alle in der Schweiz»; 24.02.2018