Glück der einen – Pech der anderenLesedauer ca. 4 Minuten

Am 10. Juni kommt das Referendum über das Geldspielgesetz an die Urne. Im Parlament fand es trotz kritischen Stimmen von Grünen, Grünliberalen und einzelnen Mitgliedern der SVP eine klare Mehrheit. Das Referendum wurde von den Jungparteien ergriffen. Und nun haben überraschenderweise die FDP und die BDP die Nein-Parole beschlossen. Worum geht’s?

Eine Anpassung des Geldspielgesetzes wird es brauchen – auch nach einem allfälligen Nein am 10. Juni. So viel ist klar. Denn 2012 haben die Stimmberechtigten einen Verfassungsartikel deutlich angenommen, der unter anderem festlegt, dass Gewinne aus Lotterien und Geldspielen der AHV, der Kultur und dem Sport zugutekommen sollen.

Ebenfalls klar ist: es geht um viel Geld. Die Abgaben von Spielbanken, die in die AHV/IV fliessen und die Gewinne von Grossspielen wie Lotterien und Grosswetten, welche über die Lotteriefonds der Kantone an gemeinnützige Zwecke wie Kultur, Soziales und Sport gehen, betragen zusammen gegen eine Milliarde Franken. Andererseits schätzt eine Studie, dass mit illegalen Online-Geldspielen in der Schweiz ein zusätzlicher Ertrag von über 250 Millionen Franken erzielt wird. Dieses Geld bleibt gänzlich in den Kassen der ausländischen Online-Anbieter.

Im Abstimmungskampf kollidieren nun zwei unterschiedliche Konzepte. Im jetzt vorliegenden neuen Gesetz hat sich, wie Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Parlament treffend sagte, die Casinolobby voll durchgesetzt. Sie will neu ebenfalls die Bewilligung für Onlinespiele wie Online-Poker. Allerdings sollen sich nur die bestehenden 21 Casinos in der Schweiz bewerben können, welche übrigens von den Besitzverhältnissen her gar nicht so einheimisch sind. Zusätzlich soll der Zugang zur ausländischen Konkurrenz mit Netzsperren erschwert werden.

Dieses protektionistische Konzept kritisierte unter anderem auch die eidgenössische Spielbankenkommission. Als Alternative könnten auch einzelne ausländische Angebote konzessioniert werden. Natürlich unter den gleichen strengen Auflagen, was die Abgabe an die AHV/IV, den Schutz der SpielerInnen und die Vermeidung von Geldwäscherei betrifft.

Was die Lotterien – deren Gewinne an Kultur und Sport etc. gehen – betrifft, ist festzuhalten: Diese sind schon heute zum Beispiel unter www.swisslos.ch online zugänglich. Allerdings muss man sich korrekterweise ausweisen und so bestätigen, dass man nicht minderjährig ist. Neu werden sämtliche Lotterie- und Online-Gewinne bis zu einer Million Franken steuerbefreit. Dies erhöht nicht nur die Attraktivität des Geldspiels. Sondern die Gelder werden fehlen. Nicht bei der AHV/IV oder bei Sport und Kultur. Sondern direkt in der Staatskasse von Bund und Kantonen. Dort würden diese 63 Millionen allerdings durchaus gebraucht. Die von der Öffentlichkeit mitgetragenen sozialen Kosten der Spielsucht in der Schweiz betragen nämlich ein Mehrfaches. Sie werden auf 551 bis 648 Millionen Franken pro Jahr geschätzt.

Die ominöse Netzsperre

Im Zentrum der Debatte steht die Netzsperre. Diese sperrt nicht etwa die Angebote ausländischer Anbieter aus der Schweiz aus. Sondern sie will den Zugang zu diesen Spielen aus der Schweiz erschweren. Dies soll vorab durch eine Verfälschung der Einträge in DNSServern erfolgen. Diese Verzeichnisse machen die Übersetzung zwischen den für Menschen verständlichen Namen wie www.coolpoker.com und den numerischen Internetadressen. Nutzer sollen dann stattdessen auf eine Warnseite weitergeleitet werden. Dies funktioniert allerdings technisch nicht bei gesicherten Seiten (https://) – und Geldspielangebote sind sicher alle abgesichert. Dort wird schlicht eine Fehlermeldung angezeigt. Das Problem der Netzsperren: Sie sind technisch sehr einfach zu umgehen. Bei einigen Browsern ist das sogar fix eingebaut. Dies wird auch von Befürwortern nicht bestritten. Allerdings verweisen sie auf einen gewissen Abschreckungseffekt.

Kein optimaler Spielerschutz

Kritik gibt es aus der Perspektive des Spielerschutzes. Das Parlament lehnte zentrale Forderungen der Spielerschutzverbände ab: Sie wollten eine nationale ExpertInnen- Kommission und eine zweckgebundene Abgabe zuhanden der Kantone zur Finanzierung einer wirkungsvollen und erkenntnisbasierten Suchtprävention. Eine Neuauflage des Gesetzes würde entsprechende Nachbesserungen ermöglichen.

Das Rennen ist offen

Es ist durchaus möglich, dass an der Urne das Resultat nicht so klar ausfällt wie im Parlament. Die Ja-Parole beschlossen haben SP, EVP und Gewerkschaftsbund. Ein Nein empfehlen Grünliberale, AL Zürich, FDP, BDP und Economiesuisse, aber auch grundrechte.ch und ICT Switzerland sowie fast alle Jungparteien von Jungen Grünen und Juso bis zu den Jungfreisinnigen. Die SVP beschloss Stimmfreigabe. Die Delegierten der Grünen Schweiz entscheiden am 5. Mai – die Geschäftsleitung beantragt eine Nein-Parole.

Dies ist ein aktualisierter Artikel, der erstmals in der Wochenzeitung P.S. erschienen ist.