Seit 1992 ist das Schweizer Datenschutzgesetz nie totalrevidiert worden. Die Computerisierung, das Internet, Mobilfunk und riesige Internet-Plattformen und Datenkraken – all das ist passiert, ohne dass der Datenschutz an die aktuellen Entwicklungen angepasst wurden. Als ich 2012 in die Staatspolitische Kommission kam, wurde dort bereits angekündigt, dass «im Herbst» ein neues Datenschutzgesetz in die Vernehmlassung gehen würde. Das Versprechen wurde dann Jahr für Jahr wiederholt. Als 2017 endlich eine Vorlage in den Rat kam, trödelte dann die Kommission. Und am Schluss nun, am vergangenen Mittwoch in der Frühlingssession, hat die rechtsbürgerliche Nationalratsmehrheit es fertiggebracht, gegen die Stimmen von Grünen, SP und Grünliberalen, im Bereich des Profiling sogar das heutige Schutzniveau zu unterschreiten.
Rechte wollen Datenschutz bei Big Data aushöhlen.
Das Profiling stellt im Zeitalter von Big Data den Kern der neuen digitalen Geschäftsmodelle dar. Aus den verschiedensten Quellen ziehen die digitalen Datenkraken, Facebook, Google aber auch die eher unbekannteren Werbenetzwerke Informationen zusammen und erstellen dadurch heikle Persönlichkeitsprofile. Diese entscheiden dann darüber, welche Angebote wir erhalten, wie hoch die uns angebotenen Preise sind, ob wir kreditwürdig sind oder nicht. Genau dies ist nach heutigem Recht in der Schweiz eingeschränkt. Das soll neu erlaubt sein? All jene,
welche die Menschen immer ermahnen, in der Digitalisierung doch die Chancen und nicht nur die Risiken zu sehen, wollen die tatsächlichen Risiken nicht eindämmen! Verpasst hat das Parlament aber auch, progressive Neuerungen einzuführen, die den Reichtum der Daten für den Gemeinnutzen erschliessen würden. Zwar wird es – analog zur europäischen Datenschutzgrundverordnung – ein Recht auf Datenportabilität geben. Daten, die wir an App-Anbieter oder grosse Datenplattformen geliefert haben, sollen wir in maschinenlesbarer Form wieder zurückerhalten.
Verpasst wurde aber die Einführung eines Einsichtsrechts 2.0. Schon heute haben wir ja das Recht auf die Einsicht aller mit uns verbundenen Daten. Also nicht nur die Infos, die wir selbst geliefert haben. Sondern auch z.B. in welche Kundenkategorien wir eingeteilt wurden, welche Notizen KundenberaterInnen
über uns machten und so weiter. Ein solche umfassende Portabilität hätte ermöglicht, dass wir all diese Daten auch digital zur Verfügung erhalten und gemeinsam zum Beispiel in Daten-Genossenschaften einbringen können. Also den Reichtum der Daten selbstbestimmt für gemeinschaftliche Zwecke nutzen – ohne die Macht der internationalen BigData-Konzerne zu erhöhen.
Balthasar Glättli
Dieser Text erschien erstmals in der Wochenzeitung P.S. Zeitung am 6.3.2020 als „Grüne Gedanken zur Woche“. Mein Votum im Rat mit der Drohung, das Gesetz in der Schlussabstimmung scheitern zu lassen, findet sich auf www.parlament.ch hier (Votum zur Minderheit beim Profiling) und hier (Votum zur Gesamtvorlage).
Medienbeiträge zur Differenzbereinigung des DSG in der Frühlingssession 2020
- Parlament schützt Datensammler – nicht die Bürger (Tages-Anzeiger, 5.3.2020)
- Nationalrat gegen strengere Profiling-Regeln (nau.ch/sda, 5.3.2020)