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Immer mehr Autos – was nun?

Das Bundesamt für Statistik (BFS) hat am 7. Februar 2012 gemeldet, dass noch nie in einem Jahr so viele neue Motorfahrzeuge zugelassen wurden wie 2011: rund 420’900. Mehr denn je braucht es griffige Massnahmen, um den MIV in den Griff zu kriegen. Im 10vor10 habe ich plakativ formuliert: Eine Möglichkeit wäre eine deutliche Erhöhung des Benzinpreises. Die Einnahmen könnten sozial verträglich pro Kopf zurückerstattet werden.


[UPDATE 8.2.2012] Einige Klarstellungen vorab, weil die Kurzausschnitte im 10vor10 vom  7. Februar sonst falsch interpretiert werden könnten, weil sie dort in einen aus meiner Sicht unstimmigen Kontext gestellt wurden:

  1. Das Problem ist aus meiner Sicht nicht der Stau. Das Problem sind die ständig steigende Zahl gefahrener Autokilometer mit den bekannten Folgen Lärm und Luftverschmutzung – und Verbrauch der letzten Erdölvorräte. Und das Problem ist, dass in der Schweiz im Vergleich zum Ausland weiterhin „Schluckspecht“-Autos gekauft werden: Wagen, die schwer sind und verhältnissmässig viel Benzin brauchen.
  2. Die Lösung ist darum nicht der Bau neuer Strassen, ob ein-, zwei-, oder dreistöckig, ob mit Autobahnvignette oder mit höheren Benzinpreisen finanziert.
  3. Darum müsste eine Benzinpreiserhöhung zumindest grösstenteils im Sinne einer Lenkungsabgabe ausgestaltet werden. Die Zusatz-Einnahmen durch eine Benzinpreiserhöhung sollten also – wie dies bei der CO2 Abgabe geschieht – pro Kopf an die Bevölkerung zurückerstattet werden. Das ist sozial verträglich und fair und kompensiert auch für höhere Produktepreise.

[ENDE UPDATE]

Wir fahren mehr und mehr und mehr…

Wer die Statistik anschaut, erkennt, dass die Verkehrsleistung das Bevölkerungswachstum deutlich übersteigt, auch wenn die Tagesschau dies anders antextet:

Für den momentanen Autoneukauf-Boom mag tatsächlich der günstige Preis dank des starken Frankens ausschlaggebend sein. Unabhängig vom Wechselkurs ist allerdings ein anderer Trend: wir verändern unser Mobilitätsverhalten deutlich Richtung Mehrverkehr. Das zeigt die Statistik.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wohnen und Arbeiten müssen wieder zusammenkommen

Die klassische Erklärung liegt im Bereich der Raumplanung: Die Zahl der PendlerInnen und die Pendlerdistanzen nehmen massiv zu. Das zeigt der Vergleich von 1970 und 2000 – einfach mit der Maus über die Grafik fahren. Die Grafik zeigt den Anteil von Erwerbstätigen, welche ausserhalb ihrer Wohngemeinde arbeiten:

 

 

 

 

 

 

 

 

Das grösste Problem ist der Freizeitverkehr

Allerdings hat auch die Geschwindigkeit zugenommen – gerade im öffentlichen Verkehr. Darum ist trotz grösserer Wege die tägliche Wegzeit für Arbeit und Ausbildung seit 1984 kaum gestiegen. Massiv gestiegen ist dagegen der Verkehr im Freizeitbereich.

Gerade hier könnte eine klare Erhöhung der Benzinpreise einen Anreiz zur Verkehrsverminderung setzen. Allerdings braucht es dazu mehr als ein paar Rappen.

Damit die Konsumenten in grosse Zahl ihr Fahrverhalten ändern, müsste der Benzinpreis wohl noch einiges höher liegen. Wo die Schmerzgrenze liegt, lässt sich kaum sagen. Einige Experten nennen einen Literpreis von 3 Fr., andere sehen ihn näher bei 5 Franken. (NZZ, 26. Mai 2008)

Leider allerdings sind solche Forderungen momentan weit von jeder politischen Realisierbarkeit entfernt. Letzten Herbst musste links-grün im Nationalrat sogar schweren Herzens Anträge zurückziehen, endlich eine bescheidene C02 Abgabe auf Treibstoffen einzuführen – die Bürgerlichen hätten sonst das ganze CO2 Gesetz zu Fall gebracht. Dabei wären selbst massive Preisaufschläge durch eine CO2 Abgabe auf Treibstoffen durchaus sozialverträglich: Die Erlöse der CO2-Abgabe werden ja pro Kopf an die Bevölkerung zurückerstattet! Ein hoher Benzinpreis würde gleichzeitig den Druck auf die Auto-Industrie verstärken, verbrauchsärmere Fahrzeuge anzubieten.

Eine Alternative wäre auch eine teilweise Verbilligung des öffentlichen Verkehrs. Allerdings braucht auch dieser Energie und ein schrankenloser Ausbau wäre nicht sinnvoll.

P.S.: Einige weitere interessante Infos. Noch immer sind auf dem Arbeitsweg die Autos meist nur mit einer Person besetzt. Und auch im Freizeitverkehr werden durchschnittlich nicht einmal zwei Personen pro Auto gezählt:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In den letzten Jahrzehnten hat die Anzahl zurückgelegter Fahrzeugkilometer massiv zugenommen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle der Grafiken: BFS, Mobilität und Verkehr 2010 (PDF)

 

 

This post was last modified on 13.07.2018 12:48

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