Interview: Nische UmweltpolitikLesedauer ca. 3 Minuten

Interview in der NZZ, 14.2.2006
Glaubwürdige Umweltpolitik als Nische
Co-Präsident Balthasar Glättli zum Wahlerfolg der Grünen

Die Grünen sind die Wahlsieger des Wochenendes. Sie legen in mehreren Parlamenten zu und ziehen in den Winterthurer Stadtrat ein. Der Co-Präsident der Kantonalpartei, Balthasar Glättli, nennt als Gründe die Nischenpolitik und das Engagement der Jungen Grünen.

Laut Umfragen sind Umweltthemen auf dem Sorgenbarometer der Bevölkerung weit in den Hintergrund gerückt. Trotzdem stehen die Grünen als Wahlsieger da. Ein Widerspruch?

Balthasar Glättli: Nein, für 10 bis 15 Prozent der Leute ist die Umwelt auch heute noch ein Thema. Für sie wollen wir glaubwürdig sein, auch wenn wir uns damit in einer Nische bewegen. Die anderen Parteien haben sich aus der Umweltpolitik verabschiedet, auch die SP betreibt in Zürich eine doppelzüngige Politik. Die Exekutivpolitiker sprechen sich für einen Stadttunnel aus, während die Gemeinderatsfraktion dagegen ist. Für die Grünen hat es sich ausbezahlt, dass wir klare Positionen vertreten haben und jahrelang am Thema dran geblieben sind. Auch ist die «Feel-good- Kampagne» der SP linken Wählern sauer aufgestossen. Bei mir haben sich Leute gemeldet, die den Eindruck hatten, Probleme würden bewusst ausgeblendet.

Brachte Ihnen die Feinstaub-Debatte kurz vor den Wahlen zusätzliche Stimmen?

Ich glaube nicht, dass die Wählerinnen und Wähler sich von so kurzfristigen Ereignissen beeinflussen lassen. In Zürich und Winterthur hat uns eher das grosse Engagement der Jungen Grünen geholfen. Das brachte Sympathien und hat wohl eine neue Wählerschicht angesprochen.

Hätten Sie noch mehr zugelegt, wenn die Grünliberalen sich nicht von der Mutterpartei abgespaltet hätten?

In Zürich hätten wir wohl noch etwas mehr Stimmen gemacht. In Winterthur und Uster habe ich den Eindruck, dass die GLP von den Freisinnigen Stimmen geholt hat.

Einer Ihrer bekannten Köpfe, VCS-Geschäftsführerin Gabi Petri, wurde in den Zürcher Gemeinderat gewählt, will nun aber gar nicht antreten. Haben Sie den Wählern etwas vorgemacht?

Grundsätzlich finde ich es sinnvoll, die politische Arbeit auf möglichst viele Schultern zu verteilen. Gabi Petri sitzt ja schon im Kantonsrat. Wir konnten nicht fest damit rechnen, im Kreis 4/5 einen Sitz dazuzugewinnen. Und die anderen Kandidaten auf der Liste haben auch gut abgeschnitten, so dass es vertretbar ist, wenn jemand anderes das Mandat antritt.

In der Stadt Zürich werden die Grünen neu eine eigene Fraktion bilden. Rücken Sie nun ohne Ihre alternativen Fraktionspartner nach rechts oder wegen der drei Jungen Grünen nach links?

Wir sind immer noch eine kleine Fraktion, die von den Persönlichkeiten geprägt wird, die sich in den einzelnen Sachfragen engagieren. Die Zusammenarbeit mit unserer Stadträtin Monika Stocker wird durch die Trennung von den Alternativen sicherlich intensiver werden. Eine Chance sehe ich auch darin, dass wir in den Dossiers, die bisher von AL-Politikern geprägt wurden, jetzt eigene Positionen erarbeiten und vertreten können. Ich denke etwa an die Energiepolitik, den Wohnungsbau und die städtischen Landverkäufe. Trotz der dünnen links-grün-alternativen Mehrheit glaube ich nicht, dass es zu einem Mehrheits-Legislaturprogramm kommen wird. Wir möchten eher einige wenige Pflöcke einschlagen, wobei wir uns auch eine Zusammenarbeit mit der EVP vorstellen können.

Zu welchen Themen?

Wir wollen uns für ein soziales Wohnbauprogramm der Stadt engagieren – mit autofreien Siedlungen -, für eine stärkere Ausrichtung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien, für ein grösseres Engagement der Stadt gegen die Jugendarbeitslosigkeit und für Teillohnjobs, auch wenn die Alternativen beim Letzteren nicht mitmachen sollten. Ich würde auch gerne ein Signal gegen die Tunnelprojekte des Stadtrats setzen.

Werden die Grünen bei den kantonalen Wahlen nochmals zulegen?

Der Trend zeigt aufwärts. In Winterthur ging es lange bergab, und jetzt ist die Talsohle überwunden. In Uster hätten wir die 5-Prozent-Hürde auf Anhieb geschafft. Wenn es uns weiterhin gelingt, eine konsequente Politik zu machen, bin ich optimistisch für die kantonalen Wahlen.

Interview: tox. (<a href=“http://www.nzz.ch/2006/02/14/zh/articleDKSOI.html“>ONLINE</a>)