Die Klima- und Energiedebatte ging mit der Präsentation der Bundesrätlichen Vorschläge in eine neue Runde. Bezeichnend, dass selbst die NZZ die zögerlichen kleinen Schrittchen des Bundesrates durch die Blume als knapp genügend bewertete – mit der Argumentation, die Minimalvorschläge liessen dann mehr Verhandlungsspielraum für einen Gegenvorschlag zur Klimainitiative. Die Kritik an der Mutlosigkeit des Bundesrates trifft aber umso mehr zu, als ja das Parlament zu den bundesrätlichen Vorschlägen noch das letzte, verwässernde Wort haben wird.
War der Klimawahlkampf am 21. Oktober zu Ende? Waren all die Beteuerungen aus den meisten Parteien, ein Generationenproblem mit globaler Bedeutung ernst zu nehmen, warme Luft? Im Dezember noch, am Internationalen Klimagipfel in Bali, hatte Umweltminister Leuenberger medienwirksam einen riesigen symbolischen „Nagel mit Kopf“ eingeschlagen . Und der Blick schrieb parallel Kampagne für ein schweizweites „Lichterlöschen“. Unterdessen ist aber definitiv der Courant normal eingekehrt. Den Gesamtbundesrat zumindest konnte die Bedrohung eines Klimawandels offensichtlich nicht aus der Ruhe bringen.
Drum ist es wichtig, dass mit der Klimainitiative, die morgen eingereicht wird, mehr Dampf gemacht wird. Allerdings leidet sie nach meiner persönlichen Einschätzung an einem grossen Mangel: sie ist sehr allgemein formuliert und spricht nur über Ziele (30% CO2 Reduktion bis 2020). Konkrete Zwischenziele soll der Bund formulieren. Was bringen denn neue Ziele, wenn es der gleiche Bund nicht fertig bringt, das geltende CO2 Gesetz umzusetzen? Selbst die von seinem Amt unrealistisch niedrig eingeschätzte Ziellücke von einer halben Million Tonnen CO2 wird mit den gewählten Massnahmen bis 2012 nicht erreicht – das musste Bundesrat Leuenberger einräumen – und dennoch wird die dringend notwendige Ausweitung der CO2 Abgabe auf Treibstoffe auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben.
Statt effektiv konkrete Massnahmen und griffige Zwischenschritte zu definieren, flüchtet sich unsere Landesregierung dagegen in gute Vorsätze für die ferne Zukunft. Halbierung des CO2 Ausstosses bis 2050. Das tönt so schön. Und kommt mir doch vor wie die Ausrede des kleinen Jungen, der heute wieder nicht wie eigentlich abgemacht sein Zimmer sauber aufgeräumt hat: „In einem Monat putz ich dafür die ganze Wohnung!“
Und die Wirtschaftsverbände begrüssen fröhlich den Aufschub… für einmal ist das Hohelied auf die Marktwirtschaft ganz leise, dann nämlich, wenn es um die ökologische Marktwirtschaft geht!
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Anders dagegen einige Unternehmen selbst. Coop will – jedenfalls dort, wo es in seinem vollen Einflussbereich liegt – innert 15 Jahren CO2 neutral werden. Das gute daran: es wird nicht nur kompensiert, sondern z.B. beim Flugtransport sollen neue Richtlinien ganz klar dazu führen, dass der Anteil mit dem Flugzeug transportierter Ware auch tatsächlich sinkt. Und auch die Migros inseriert übrigens ganz gross ihre CO2 Einsparungen – von aussen scheinen mir allerdings die Ziele etwas weniger hoch gesteckt. Wie auch immer: mich erstaunt es, dass ein Unternehmen wie Coop die Herausforderung Klimaschutz sichtbar ernster nimmt als die Politik, sichtbar ernster nicht nur als der Bundesrat, sondern auch als beispielsweise die rot-grün regierten Städte.
Sicher, hier in unserer Stadt Zürich wurde energiepolitisch bereits viel getan. Mit der Tarifrevision eine grosse Nachfrage nach Ökostrom geschaffen. Mit dem ewz-Energiecontracting ein umfassender Ansatz des Energiesparens gefördert. Verschiedene Vorstösse verlangen auch konkret einen forscheren Einstieg in die Ökostromproduktion.Dennoch: nicht nur was den Klimaschutz betrifft, vermisse ich die konkrete Umsetzung der hochgesteckten Ziele durch den Stadtrat. 2000 Watt Gesellschaft, keine neuen AKW, mehr Ökostrom – die Richtung der strategischen Papier stimmt absolut. Doch geht mir der tatsächliche Wandel etwas gar zu langsam.
Warum soll nicht Zürich, als grosse Stadt mit eigenen, wichtigen Energieversorgern, vielleicht zusammen mit Basel mutige und konkrete Schritte voran gehen? Warum können wir nicht auch, was Coop kann – oder besser? Sollen wir uns freuen an der 9% Senkung des CO2 Ausstosses auf Stadtgebiet seit 1990 – oder sollte die Zürichs Verwaltung und die Betriebe alles daran setzen in 10 Jahren CO2 neutral zuwerden? Warum wird nicht, wie früher, mit grossen und gewagten Schritten der motorisierte Individualverkehr in umweltverträglichere Bahnen gelenkt (dass heute der Treibstoffverbrauch sinkt, ist einzig Folge weniger durstiger Motoren)? Auch wenn übergeordnete Vorschriften und Zuständigkeiten nicht einfach ausser Kraft gesetzt werden können, es bleibt vieles zu gestalten: wenn man sich wirklich überzeugt engagiert und auch die politische Diskussion und Auseinandersetzung nicht scheut. Schwellenruedi Aeschbacher zum Beispiel könnte davon sicher ein Lied singen!
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Dreist und zugleich mutlos sind auch die noch mit grössten Steuerzahlenden der Stadt Zürich geworden. Die UBS reagiert wie jemand, den’s im Auto aus der Kurve trägt: man drückt weiter auf das Gaspedal. Und bei der CS wird, kaum ist hämisch der Gewinn verkündet, dann doch alles viel ähnlicher wie bei der lokalen Konkurrenz als vermutet. Ich hab’s noch nirgendwo gelesen, und möchte es drum doch noch los werden: Mit dem Geld, das die Banken letztes Jahr versenkt hat, hätte man locker die Swissair retten und zugleich den ökologischen Umbau der lokalen KMUs fördern können. Und erst noch mit einer sozialen Personalpolitik auch etwas weniger leistungsfähigen Mitarbeitenden einen Arbeitsplatz sichern können. Aber eben: die Herren Ospel und Co. sind ja eifrig damit beschäftigt, „Teil der Lösung“ zu sein. Viel Glück!