Der SVP-Initiative für eine Volkswahl des Bundesrats stelle ich einen direkten Gegenvorschlag gegenüber, welche die Initiative aufnimmt, aber in zwei wichtigen Punkten verbessert. Es soll gesichert werden, dass volle Transparenz über die Finanzierung des Bundesratswahlkampf vorliegt und der Bundesrat soll von sieben auf neun Mitglieder vergrössert werden. Hier mein Votum.
Votum vom 4.12.2012 – „Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“, das sei er, antwortet Mephisto dem Faust auf die Frage „Wer bist du?“. Wir dürfen uns hier fragen, trifft das – sicher nicht immer aber vielleicht in dieser Frage – auch auf die SVP zu? Gewisse Gegner wollen ja die Idee der Volkswahl des Bundesrates regelrecht verteufeln. Sie vernichte ein bewährtes System – die Frage ist, ob aus der Asche nicht ein besseres erwachsen könnte. Ich spreche, das sei hier klar gesagt, für eine Minderheit, für eine Minderheit auch in meiner eigenen Fraktion. Die grundsätzlich ablehnende Position der Grünen zur Volkswahl wird unser Fraktionspräsident nachher erläutern.
Drei Vorbemerkungen:
1. Diese Initiative ist in einem gewissen Sinne ein Papiertiger. Keine Initiative der SVP wurde wohl länger immer wieder nur angekündigt. Am Schluss wurden auch nur knapp die erforderlichen Unterschriften gesammelt. Man darf mit Fug und Recht vermuten, dass diese Initiative auch aus Sicht einiger SVPler nützlicher war als Drohmittel gegenüber dem eigentlichen heutigen Wahlgremium denn als Idee, die dann am Schluss umgesetzt werden sollte.
2. Es geht nicht um eine linke oder um eine rechte Idee, das wurde erwähnt. Vor weniger als zwanzig Jahren hat Kollege Hämmerle nochmals die Volkswahl, allerdings mit Proporz, gefordert. 1993 forderten die Grünen mit einer parlamentarischen Initiative von Leni Robert dasselbe. Es wurde auch gesagt, der Protest sei Motivation dieser Anliegen gewesen. Nun ja, Protest als Motivation heisst noch nicht unbedingt, dass das Anliegen schlecht ist.
3. Kein Veränderungsbedarf herrsche, wird immer wieder gesagt, es funktioniere ja. Wenn wir nur über Nichtfunktionierendes in diesem Parlament legiferieren dürften, dann muss man sagen, zum Glück funktioniert einiges. Dann hätten wir also sehr viel weniger zu tun als wir heute zu tun haben. Manchmal geht es auch darum, Bestehendes zu verändern.
Warum verändern? Ich glaube, die Volkswahl wäre eine Chance für die Stärkung des nationalen Zusammenhalts, indem man eben gesamtschweizerische Kampagnen führen müsste, indem die Kandidierenden sich eben in mehreren Landessprachen auch beweisen müssten und stärker getestet würden in verschiedenen Regionen der Schweiz.
Es wäre ein Plus auch für die Stärkung der Parteien, aus meiner Sicht ein sinnvolles Gegengewicht zu einer direkten Demokratie, die manchmal zu grossen – ich denke: zu zu grossen – Teilen eben auch eine Verbandsdemokratie ist, in der die Parteien so schwach sind wie in keinem anderen Land.
Es ist klar: Es würde auch bei einer Volkswahl bei stabilen Verhältnissen bleiben. Die Hoffnung der SVP, dass allenfalls ein alt Bundesrat Blocher je durch eine Volkswahl in dieses hohe Amt zurückkehren könnte, kann man getrost als irrealistisch auf die Seite schieben.
Negatives gibt es auch, deshalb mein Gegenvorschlag:
1. Ein gesamtschweizerischer Wahlkampf braucht ungeheuer viele Mittel. Wenn man das will, was die SVP beim Unterschriftensammeln immer versprochen hat, „mehr Demokratie“, wäre deshalb die Mindestbedingung mehr Transparenz über die verwendeten Mittel. Ich fordere nicht eine Einschränkung, ich fordere nicht eine Parteienfinanzierung, ich fordere nicht eine Wahlkampffinanzierung – ich fordere nur das Mindeste: Ich fordere Transparenz. Wenn Sie von der SVP, die immer für mehr Volksrechte, für mehr Demokratie einstehen, diese minimale Anforderung an eine funktionierende Demokratie – dass die Interessen und die Interessenlagen offengelegt werden müssen – nicht verstehen wollen, kann ich zu diesem Projekt auch nicht Ja sagen. Deshalb lehne ich die Initiative in der Form, in der sie eingereicht wurde, auch ab.
2. Ich ergänze das Gleiche, was die SP auch vorgeschlagen hatte, als sie unter dem Motto „Volkswahl heisst Volkswohl“ selbst die Wahl des Bundesrates durch das Volk forderte, nämlich eine Ergänzung, eine Erweiterung des Gremiums von sieben auf neun Personen.
Die Einheit der Materie ist aus meiner Sicht problemlos gewährleistet. Sie können in ein Restaurant gehen und ein Müesli bestellen. Dann wählt der Koch – das ist hier die Vereinigte Bundesversammlung – für Sie aus, oder Sie können sagen: Nein, ich will das selbst zusammenstellen; ich suche die Zutaten selbst zusammen. Das wäre dann die Volkswahl. Sie können dann auch entscheiden, ob Sie das kleine Müesli mit sieben feinen Früchten wollen oder ein grösseres Müesli mit neun Früchten und einer transparenten Inhaltsangabe. Wenn Sie diese Entscheidung nicht machen können, wenn Sie das dem Volk nicht zutrauen, dann trauen Sie dem Volk wirklich sehr wenig zu. Ich denke, die Frage der Einheit der Materie, der Möglichkeit, dass das Volk klar seinen Willen äussern kann, ist bei meinem Gegenvorschlag ganz sicher gegeben.
Haben Sie etwas Mut, geben Sie sich einen Ruck, und sagen Sie Ja zu meinem Gegenvorschlag.