Asylreferendum – warum so schwach?Lesedauer ca. 2 Minuten

Die Niederlage war erwartet worden. Doch nicht so deutlich. Warum war das NEIN so schwach, obwohl mit dem Botschaftsasyl eine Möglichkeit der Schutzgewährung abgeschafft wurde, die gerade für sogenannt „echte Flüchtlinge“ – zu einem grösseren Teil als sonst auch Frauen und Kinder – bisher wichtig war?

Entscheidend war sicher die neue Ausgangssituation. Erstmals verteidigte mit Simonetta Sommaruga eine sozialdemokratische Bundesrätin eine Asylrevision. Sie versuchte, die Abstimmung vor allem zum vorgezogenen Plebiszit über ihre Pläne für beschleunigte und gleichzeitig mit obligatorischem Rechtsschutz ausgestaltete Asylverfahren zu machen.

Ein Blick auf die Prozentzahlen allein genügt nicht. Spannender für die Eklärungen sind die absoluten Zahlen. Die Anzahl Verschärfungs-Befürworter, die JA stimmte, war sonntags nämlich sogar leicht (um gut 25’000 Stimmen) kleiner als 2006. Von den Nein-Stimmenden des letzten Referendums dagegen blieben 44% zu Hause. Die wahre Frage ist also: Warum gab es fast 330’000 weniger NEIN-Stimmen?

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Waren diese Stimmberechtigten unentschieden – zwischen Verschärfungskritik und Beschleunigungsbefürwortung? Zwischen grün-linkem Nein und Sommarugas Ja? Wollten sie raschere Verfahren mit Rechtsschutz nicht behindern? War die Energie und die Präsenz der NEIN-Kampagne zu unscheinbar – der Glaube, mit einer grossen Anstrengung ein Zeichen setzen zu können, von Anfang an zu stark gebrochen? Oder fehlte schlicht das mobilisierende Feinbild an der Spitze der Befürworter, das 2006 ja mit dem damaligen Bundesrat Blocher exemplarisch gegeben war? Wahrscheinlich ist die Erklärung in einer Mischung dieser Gründe zu finden.

Gewonnen hat sicher nicht die SVP, die ja intelligenterweise praktisch unsichtbar blieb. Auch nicht das bürgerliche Mitte-Rechts-Komitee, das sich praktisch auf eine Website beschränkte. Gewonnen hat vorab die Bundesrätin, die öffentlich immer wieder ein schnelleres und gleichzeitig faireres Verfahren versprach. Den Gegnern, auch mir selbst, gelang es zu wenig, ins Zentrum zu stellen, dass schnellere Verfahren ja schon jahrelang gesetzlich möglich, gar vorgeschrieben wären: Es gibt sie nur darum nicht, weil das Bundesamt seit Jahren organisatorisch überfordert ist, zu wenig Ressourcen hat und ganz bewusst die mutmasslich positiven Fälle auf die lange Bank schiebt. Aus Angst vor einer „Sogwirkung“.

Indem Simonetta Sommaruga nun rasche Beschleunigung und gleichzeitig Fairness versprochen hat, ist sie ein grosses Risiko eingegangen. Sie muss nun liefern. Rasch. Sichere parlamentarische Mehrheiten hat sie aber nur für Beschleunigung pur. Weniger für umfassenden Rechtsschutz. Und kaum fürs rechte Mass an Tempo. Umso wichtiger sind rasche konkrete Erfolge. Ein Gratistipp: Die sofortige Gewährung einer vorläufigen Aufnahme an alle Flüchtlinge aus Syrien und Eritrea würde den Pendenzenberg sofort um 30% verkleinern. Das wäre gut für Sommarugas Erfolgs-Statistik. Und für die Betroffenen.

Balthasar Glättli