Rede zur Initiative „Bedingungsloses Grundeinkommen“Lesedauer ca. 4 Minuten

Am 23.9.2015 hielt ich die folgende Rede anlässlich der Debatte zur Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Wenn ich jetzt als Fraktionssprecher der Grünen zu Ihnen spreche, einer Fraktion, die sich den Entscheid zu dieser Initiative nicht einfach gemacht hat und wo auch nicht alle am Schluss den gleichen Entscheid treffen werden, dann spricht zu Ihnen jemand, der 1991 den Grünen beigetreten ist, weil er genau diese Idee eines garantierten Existenzminimums damals als junger Erwachsener im Programm der Grünen des Kantons Zürich kennengelernt hat. Ich glaube, diese Werte sind es, die wir von den Grünen auch alle teilen, unabhängig davon, wie wir uns jetzt konkret dann zur Initiative verhalten.

Diese Initiative macht etwas, was in der Politik selten ist. Man sagt immer, Politik sei die Kunst des Möglichen. Ich glaube, um zu leben, muss Politik nicht nur die Kunst des Möglichen sein, sondern auch die Kunst, das Undenkbare denkbar und das Denkbare dann möglich zu machen, Fragen zu stellen, die heute selbstverständlich allen beantwortet scheinen, deren Antwort aber nicht so evident, so klar ist, wie wir meinen. Die Frage: Weshalb misst sich der Wert der Arbeit am Verdienst? Ist denn jene Arbeit, die nicht entlöhnt wird, wertlos? Die Frage: Was wäre denn ein funktionierender Arbeitsmarkt? Ein Markt, das ist ja eine Auseinandersetzung zwischen zwei Positionen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ich meine, wenn der Arbeitsmarkt funktionieren würde, dann sollten nicht die begehrtesten Jobs, diejenigen, die einen gleichzeitig in der Gesellschaft mit viel Lorbeeren und
Anerkennung belohnen, die am höchsten entlöhnten sein, sondern da müssten eigentlich die Müllmänner und die Frauen, die die WC putzen, diejenigen sein, die den höchsten Lohn verdienen – wenn das ein richtiger Markt wäre.

Man kann sich fragen, und ich finde, diese Frage ist berechtigt: Sind wir, als Gesellschaft, als Schweiz, nicht fähig, gemeinsam so viel Wohlstand zu erarbeiten, dass jeder Mensch hier ein Leben in Würde führen kann? Wir sind es. Wir sind es, aber wir machen es heute auf eine Art und Weise, die nicht alle Formen von Engagement für diese Gesellschaft gleich wertschätzt.
In dem Sinne stellt die Initiative unheimlich viele Fragen, die ans Zentrum unseres Grundverständnisses rühren, und sie stellt Fragen, die man stellen muss. Genau dafür ist ja dieses Instrument der Volksinitiative da, um in der Politik Fragen zu stellen, die im, ich sage es jetzt so, bürokratisierten, leicht sklerotisierten Rahmen unserer Debatten, in denen wir immer versuchen, in kleinen Schritten Bestehendes weiterzuentwickeln, nicht unbedingt den nötigen Raum erhalten.
Warum werde ich mit einer Mehrheit der Fraktion diese Initiative trotzdem zur Ablehnung empfehlen? Man könnte es sich ja einfach machen und sagen: Die Initiative ist eine gute Anregung, was haben wir zu verlieren? Bei den Grünen gibt es viele Sympathisantinnen und Sympathisanten dieser Initiative. Ich nehme diese Initiative schon etwas ernster. Wir Grünen haben diese Initiative nicht nur einfach als Denkanstoss genommen. Wir haben versucht, uns konkret damit auseinanderzusetzen, was die Folgen wären, wenn sie so, wie sie jetzt vorliegt, zur Abstimmung käme und angenommen würde. Ich denke, die Initiantinnen und Initianten haben das auch verdient, denn sie wollten eine Debatte, und zwar nicht nur über ein wolkiges Prinzip, denn sie haben die Idee für eine konkrete Revolution, und das ist ja auch die Stärke ihres Vorschlages.

Wenn wir zusammen darüber nachdenken, was passieren würde, wenn die Initiative angenommen würde, kann man sagen: Okay, die Höhe des Grundeinkommens gehört vielleicht nicht in die Verfassung, sie ist mir persönlich zu tief, aber einigen wir uns auf ein Leben in Würde, über den Betrag können wir als Gesetzgeber dann streiten.
Die Frage ist, ob die bestehenden Sozialversicherungen ersetzt werden sollen oder ob Leute, die beispielsweise eine besondere Behinderung haben, trotzdem noch Anspruch auf mehr Geld haben. Okay, da gestehen wir ihnen zu: Das ist eine Debatte, die man dann im Rahmen einer allfälligen Gesetzgebung führen kann.

Aber eine fundamentale Frage haben sie nicht beantwortet, nämlich die Frage der Herkunft der Mittel, und wenn man diese nicht beantwortet, dann droht die Initiative sich in ihr Gegenteil zu verkehren. Würde nämlich diese Initiative morgen angenommen, dann wäre das nichts anderes als das gigantischste Subventionsprojekt für unsere Wirtschaft: Jeder Lohn einer 100-Prozent-Stelle würde vom Staat mit 2500 Franken subventioniert. Sie von rechts haben vorhin gesagt, das Schlimme wäre dann die Umverteilung. Wenn ich hier die Mehrheitsverhältnisse anschaue, fürchte ich das Gegenteil: Ich fürchte, dass dann eben nicht umverteilt wird, dass eben bei den Unternehmen die Milliardengewinne nicht abgeschöpft werden und dass man am Schluss die Stärkung der Person im Arbeitsmarkt nicht erreicht, aber mit gigantischen Mitteln diejenigen unterstützt, die heute die riesigen Kapitalgewinne einfahren, die zur steigenden Ungleichheit in unserer Gesellschaft führen.

In diesem Sinne teilen auch jene von uns, die zu dieser Initiative Nein sagen, die Grundüberzeugungen dieser Initiative. Wir glauben aber, dass man hier einen Schritt konkreter werden muss, damit man dazu auch überzeugt Ja sagen kann.

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