Besorgt über die Turbulenzen im VBS setzen Balthasar Glättli und Gerhard Pfister auf den neuen Departementschef Parmelin – aus völlig verschiedenen Gründen.
Balthasar Glättli: Geschätzter Kollege, das VBS sorgt momentan ordentlich für Schlagzeilen. Als Bundesrat Ueli Maurer 2009 das Militärdepartement übernahm, konnte ich ja noch verstehen, dass er alle Probleme des Departements offenlegte – immerhin konnte man den ungeliebten Ex-SVPler Samuel Schmid dafür verantwortlich machen. Doch nun entdeckt auch Maurers Nachfolger von der gleichen Partei herzlich wenig von Maurers «bester Armee der Welt»… Ich werde den Verdacht nicht los, dass im Beschaffungsverfahren des VBS tatsächlich der Wurm drin ist.
Gerhard Pfister: Ich hoffe, bei Ihrem Verdacht schwingt keine Schadenfreude mit. Die Linke ist ja von Natur nicht die Freundin des VBS. Ernsthaft: Auch ich bin höchst beunruhigt, dass im VBS manches im Argen zu liegen scheint. Ich kann nicht beurteilen, ob die jetzt diskutierte Variante der bodengestützten Luftverteidigung (Bodluv) untauglich ist oder nicht. Für die deutsche Bundeswehr scheint sie zu genügen. Das ist zwar auch nicht die beste Armee der Welt, aber immerhin eine gute. Weiter kann ich mir nicht erklären, warum die beiden SVP-Bundesräte sich nicht besser absprechen, wenn sie sich öffentlich dazu äussern. Ich habe mich mit Überzeugung dafür eingesetzt, dass die Armee ihre fünf Milliarden Franken erhält. Aber ich habe auch darauf vertraut, dass man bei so viel Geld endlich professionell arbeitet. Die Bevölkerung hat schon beim Gripen nicht gegen die Armee, aber gegen ein Projekt gestimmt, das nicht überzeugend vertreten wurde. Die Schweiz hat ein professionelles VBS verdient – und bitter nötig.
Balthasar Glättli: Vermutlich erweist es sich jetzt als Pyrrhussieg, dass die bürgerliche Parlamentsmehrheit mehrfach gegen den Willen des Bundesrats die fünf Milliarden beschlossen hat. Ich habe unterdessen den Eindruck, nicht die Beschaffungsreife, sondern der Beschaffungsdruck gebe den Ausschlag für wichtige Bestandteile des Rüstungsprogramms. Duro und Bodluv sind da sprechende Beispiele. Wenn das politische Risiko von Kreditresten höher gewichtet wird als das Verpassen der vordefinierten Leistungskriterien, ärgert mich das als Sicherheitspolitiker. Denn auch wenn ich zusammen mit den Grünen der Armee ganz grundsätzlich kritisch gegenüberstehe: Wenn denn das Geld ausgegeben werden muss, dann wäre es mir schon lieber, wenn dieses auch effizient und sicherheitspolitisch wirksam getan würde, auch wenn sich der Beginn der Beschaffung verzögert.
Gerhard Pfister: Dieser Support freut mich natürlich.
Balthasar Glättli: Die grösste Gefahr droht dem VBS ohnehin durch die Spaltung der rechten Militärbefürworter, auch innerhalb der SVP. Während die einen eine moderne Armee wollen, träumen andere vom Massenheer der sechziger Jahre. Zwei völlig inkompatible Positionen. Hat diese Spaltung auch die beiden SVP-Bundesräte erreicht? Ueli Maurer hat ja weder den Gripen noch die Weiterentwicklung der Armee mit grösster Überzeugung vertreten.
Gerhard Pfister: Leider muss ich Ihnen recht geben. In Armeefragen schwächen sich die Bürgerlichen selbst. Es ist uns nicht gelungen, eine gemeinsame Vision zu erarbeiten, die wir gegenüber den Armeeabschaffern geschlossen vertreten könnten. Natürlich ist es allen unbenommen, ein Referendum zu ergreifen. Aber ein Abstimmungskampf, wo in der «Arena» Leute der Gruppe Giardino neben jenen der GSoA auftreten könnten, nützt der Armee wenig. Es gibt zu viele selbsternannte Militärexperten, es gibt in der Armee Interessengruppen, frustrierte Übergangene, die gegeneinander kämpfen – das sind alles schlechte Bilder, die das VBS nicht zu korrigieren vermag. Es wirkt ja schon seltsam, dass Bundesrat Maurer nach dem Departementswechsel revitalisiert wirkt, als sei er in einen Jungbrunnen gestiegen. Seit Jahren gilt das VBS als Einstiegsdepartement und Durchlauferhitzer für neue bürgerliche Bundesräte, das sie so bald wie möglich verlassen wollen, ohne dass es nach Flucht aussieht. Maurer muss man immerhin attestieren, dass er lange durchhielt.
Balthasar Glättli: Mich stört es ja nicht, offengestanden, wenn sich die Bürgerlichen in Armeefragen selbst ein Bein stellen. Dagegen stört mich, wenn ein heiliger Zwang, Jahr für Jahr fünf Armee-Milliarden zu verpulvern, das kitten soll. So geht vergessen, dass Sicherheitspolitik heute Antworten auf neue Risiken geben muss. Antworten, bei denen die Armee teilweise keine entscheidende Rolle spielen kann und soll. Gefährlicher als ein konventioneller militärischer Konflikt im Herzen Europas ist, ganz konkret, die exponentiell zunehmende Abhängigkeit unserer Wirtschaft und Gesellschaft vom Internet. Aber auch die Verwundbarkeit von essenzieller Infrastruktur, die vermehrt über das Internet zugänglich und angreifbar ist, macht mir Sorgen.
Gerhard Pfister: Richtig. Aber auch das ist nicht günstig zu haben. Dazu kommen weitere, neue sicherheitspolitische Herausforderungen, etwa die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus oder ein schnelles Ansteigen der Migrationsströme in die Schweiz. Die Ausgaben für Armee und Sicherheit wurden in den letzten Jahren stärker zurückgefahren als jene in anderen Bereichen. Wir müssen jetzt die Grenze festlegen, unterhalb derer die Risiken zu gross werden. Die liegt für die Bürgerlichen bei fünf Milliarden Franken. Die Probleme, die wir jetzt bei den Beschaffungen haben, dürfen keinesfalls dazu führen, dass wir die Ausgaben willkürlich nochmals senken. Aber, da sind wir uns einig: Es braucht eine starke Führung im VBS. Es liegt an Bundesrat Guy Parmelin, zu zeigen, dass er das kann.
© NZZ am Sonntag; «In Armeefragen schwächen sich die Bürgerlichen selbst»; 17.04.2016; Ausgaben-Nr. 16; Seite 18