Im März 2014 waren die Grünen die erste und für Monate auch die einzige Partei, die eine Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative (MEI) forderten, welche die Bilateralen nicht zu Fall bringt. Nun hat sich zumindest im Nationalrat in der Herbstsession diese Linie durchgesetzt.
Zwar schreit die SVP nun empört «Verfassungsungsbruch!» – allerdings kann man heute noch online ihre Argumentation im Bundesbüchlein zur MEI lesen, in dem die Partei schrieb:
«Die Initiative will dabei weder einen generellen Stopp der Zuwanderung, noch verlangt sie die Kündigung der bilateralen Abkommen mit der Europäischen Union (EU)» Quelle: Bundesbüchlein für den 9.2.2014, Seite 35
Konsequenterweise hat der Bundesrat versucht, gemäss dem Initiativtext Neuverhandlungen zu führen. Genau das war der Volksauftrag, nicht die Kündigung. Dass die EU sich nicht auf Verhandlungen einliess, ist nicht die Schuld des Bundesrates. Im Gegenteil: mit der sanften Umsetzung, welche der Nationalrat nun beschlossen hat, wurde der EU die Möglichkeit genommen, Verhandlungen zur MEI-Umsetzung an die Bedingung zu knüpfen, dass die Schweiz rasch ja zur institutionellen Zusammenarbeit sagt. Und der Widerstand gegen die institutionelle Zusammenarbeit wiederum ist ja gerade von der SVP im Sommer 2016 zu einem Zentrum ihres Engagements erklärt worden.
Bürgerliche Gegen griffige Massnahmen im Innern
Mit dem nun gefundenen Kompromiss fordert der Nationalrat als erste Massnahme, dass das inländische Arbeitskräftepotential besser ausgeschöpft wird. Dies gibt dem Bundesrat eine Grundlage, die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie voranzutreiben und auch Massnahmen vorzuschlagen, damit älter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht einfach «aussortiert» werden. Allerdings muss in vielen Fällen dann konkret auch das Parlament ja sagen. Und hier hat sich – wenn es dann konkret wurde – leider bisher oft eine rechtsbürgerliche Mehrheit gefunden, welche zu ganz praktischen Lösungsansätzen, welche die inländischen Arbeitnehmenden stärken, NEIN sagte.
Heimlicher Erfolg für die Grünen
Einen unbemerkten Grosserfolg feierten die Grünen im Bereich des Familiennachzugs. Trotz des Rechts auf Familie, das in der europäischen Menschenrechtskonvention und auch in unserer eigenen Verfassung verankert ist, wollte der Bundesrat nicht nur die Zuwanderung aus Drittstaaten in die Erwerbsarbeit sondern neu auch den Familiennachzug generell kontingentieren. Die Grünen schmiedeten dagegen erfolgreich eine breite Mehrheit aller Parteien ausser der SVP.
Wie weiter?
Der Ständerat wird nun den Nationalrats-Beschluss nochmals genau prüfen und hoffentlich die wenigen Unvereinbarkeiten mit den Bilateralen beseitigen. Möglicherweise verschärt er auch der Arbeitslosenvorrang nach dem Genfer Modell. Im beschleunigten Verfahren kann so eine Schlussabstimmung vor Ende Jahr erfolgen. Der Weg zur Unterzeichnung des Kroatien-Protokolls wäre offen. Und so könnte auch die wissenschaftliche Zusammenarbeit im Rahmen von Horizon 2020 gerettet werden.
Der Bundesrat findet hoffentlich den Mut, von sich aus einen Gegenvorschlag zur Rasa-Initiative vorzuschlagen.
Und die SVP ihrerseits wird weiterhin Probleme bewirtschaften und Opfer spielen. Möglicherweise ergreift sie nicht einmal das Referendum gegen die sanfte Umsetzung. Weil sie wohl fürchtet, dass sie diese Abstimmung klar verlieren würde.