Das Grüne Fraktionsvotum anlässlich der Schluss-Debatte zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative am 12.12.2016 von Balthasar Glättli.
«Man kann uns Grünen in Sachen Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative meinetwegen inhaltlich Vorwürfe machen; was man uns nicht vorwerfen kann, ist, dass wir nicht immer klar gesagt haben, was wir wollen. Wir Grünen stehen ein für die Personenfreizügigkeit aus zwei Gründen, die ich Ihnen gerne nochmals in Erinnerung rufe:
1. Nach Jahren, Jahrzehnten einer Ausländerpolitik, die sich immer Schritt für Schritt verschärft hat, führte das Personenfreizügigkeitsabkommen zu einem Riesenschritt in die Gegenrichtung: zur Verbesserung des Status, zur Verringerung der Willkür gegenüber all jenen Ausländerinnen und Ausländern mit einem EU-Pass, die seit Jahren, oft seit Jahrzehnten in der Schweiz leben. Und Sie wissen es: Die Stärkung des Aufenthaltsstatus führt auch zu einer Stärkung am Arbeitsmarkt, zu weniger Einfallstoren für Lohndumping.
2. Die Personenfreizügigkeit führte damals zu einer grossen Allianz für flankierende Massnahmen. All jenen, welche nun im Namen der Arbeitenden – angeblich – die Kündigung der Bilateralen fordern oder sie zumindest in Kauf nehmen, muss ich sagen: Mit den Bilateralen würden sie eben auch die flankierenden Massnahmen abschaffen, Massnahmen, welche die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz vor Ausbeutung, vor Lohndumping schützen.
Wir Grüne waren darum schon immer für die Fortsetzung des bilateralen Wegs. Am 18. Februar 2014 schon forderten wir die Ratifizierung des Kroatien-Protokolls, am 21. März 2014 – beides mit einer Fraktionsmotion – forderten wir eine mit den Bilateralen kompatible, nichtdiskriminierende Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative.
Und wir stiessen am 28. November 2014 nach. Wir forderten den Bundesrat auf, den Mut zu haben, zwei verschiedene Varianten der Umsetzung in die Vernehmlassung zu geben, weil wir eben gewährleisten wollten, dass die schwierige Debatte innerhalb all jener Kräfte, die für den Erhalt der Bilateralen einstehen, mit der nötigen Zeit geschehen konnte. Der Bundesrat hat da kein Musikgehör gezeigt – das ist seine freie Entscheidung -, die Arbeit fiel der Nationalratskommission zu. Wir haben im August in unserer Staatspolitischen Kommission den Weg frei gemacht für eine EU-kompatible Lösung. Der Ständerat hat diese Lösung noch akzentuiert und vereinfacht, hin zu einem Arbeitslosenvorrang mit Meldepflicht, Interviewpflicht und Begründungspflicht. Nun schwenken beide Seiten ein zu einem Kompromiss mit Meldepflicht und Interviewpflicht, und wir Grünen empfehlen Ihnen, den Kompromiss dieser Mehrheit überall zu unterstützen.
Diese neue Mehrheit hat – und ich finde, das findet zu wenig Beachtung – auch die Verhandlungsposition der Schweiz bezüglich des institutionellen Rahmenabkommens völlig geändert, weil wir nämlich hier jetzt nicht mehr auf ein Entgegenkommen der EU angewiesen sind, weil wir selbst uns konform zu den Verträgen verhalten. Entsprechend paradox ist, dass sich jetzt gerade die SVP gegen den Arbeitslosenvorrang wehrt, ja, ihm mit den Minderheiten IV und VI sogar noch die Zähne ziehen will.
Deshalb zum Schluss zweimal ein Aufruf zu Mut. Mut braucht die SVP: Wenn denn, wie Sie da beweinen, schmollen, klagen, diese Lösung so schlecht ist, dann nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr und ergreifen Sie das Referendum! Und ein zweites Mal Mut dem Bundesrat, dass er einen Gegenvorschlag zur Rasa-Initiative bringt, der nicht nur die Beziehungen zur EU klärt, sondern eben auch den flankierenden Massnahmen das nötige Gewicht einräumt. Denn nur so werden wir in diesem Land den erfolgreichen bilateralen Weg mit einer klaren Mehrheit weiter unterstützen können.»