Hier meine Grünen Gedanken zur Woche zum Thema MEI und Türkei, erschienen im P.S. vom vom 23.12.2016.
Grosse Worte hat die SVP am Schluss der Wintersession geschwungen. Bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative empörte sie sich über den
angeblichen Verfassungsbruch. Mich macht das zornig. Zum einen, weil die SVP selbst mit gespaltener Zunge spricht. Den Stimmberechtigten hatte sie im Abstimmungsbüchlein vom 9. Februar 2014 erklärt: «Die Initiative will dabei weder einen generellen Stopp der Zuwanderung, noch verlangt sie die Kündigung der bilateralen Abkommen mit der Europäischen Union (EU ).» Dennoch fordert sie nun vom Parlament, genau dieses Abkommen zu verletzen. Zum anderen macht es mich wütend, weil die Partei zwar die Volksdemokratie als Folklore inszeniert, aber die direktdemokratischen Mittel nicht nutzt. Sprich: das Referendum nicht ergreift, wenn sie Angst hat, zu verlieren.
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Seit meiner Reise in die Osttürkei hat sich mein Verständnis dafür, was eine freie und demokratische Gesellschaft ist, verändert. Und ich schätze auch Rechte, für die ich bisher schon eintrat oder die ich einforderte, viel konkreter. Das Recht, sich ungehindert zu bewegen, zu treffen, die Gesellschaft demokratisch verändern zu wollen. Das Recht, unüberwacht zu kommunizieren. All diese Rechte sind in der Türkei – nicht erst seit dem gescheiterten Putsch – nicht mehr gewährleistet. Die Situation in der Türkei verschlechtert sich Woche für Woche weiter. Unterdessen sind praktisch alle Personen, mit denen ich im Oktober Kontakt hatte, im Knast – oder untergetaucht und geflohen.
Der Vorschlag der Grünen, in der Wintersession eine aktuelle Debatte zur Situation in der Türkei abzuhalten (hier unsere Fragen dazu), hat keine Mehrheit gefunden. Dafür ist es gelungen, alle Fraktionschefs (ausser einen) zu einer gemeinsamen Erklärung zur Türkei zu bewegen (deutsch/französisch). Wir verurteilen darin die Gewalt als untaugliche Lösung. Und wir fordern die Einhaltung der Grund- und Menschenrechte ein.
Gefragt ist aber auch die Schweiz. Aktuelles Beispiel: Allseas. Die Pipeline-Bauerin mit Sitz im Kanton Freiburg profitiert von der Annäherung der Autokraten Putin und Erdogan: Sie erhielt einen Auftrag für den Bau der TurkStream-Pipeline (vgl. die Medienmitteilung). Allseas machte immer wieder unerfreuliche Schlagzeilen. 2011 wurde Allseas in Australien angeklagt, illegal Ausländer beschäftigt zu haben (vgl. NZZ, 2.12.11). Das weltgrösste Arbeitsschiff «Pioneering Spirit» hatte die Firma zuerst nach dem Vater des Allseas-Eigentümers auf den Namen Pieter Schelte getauft. Schelte war allerdings – vor seiner Desertion in den Widerstand – Mitglied der Waffen-SS gewesen, was zu einer Kontroverse führte (vgl. u.a. Le Matin Dimanche, 14.2.2015). 2013 schliesslich protestierten Gewerkschaften nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Indien, Australien und in den USA gegen den Multi: Das Unternehmen weigerte sich beharrlich, Gewerkschaftsrechte anzuerkennen (vgl. la liberté, 27.9.13/work, 4.10.13).
Die Schweizer Öffentlichkeit muss kritisch hinsehen: nicht nur gegenüber Erdogan, auch gegenüber Schweizer Multis, die mit ihm Geld verdienen wollen.