«Schengen ist beste SVP-Politik»Lesedauer ca. 3 Minuten

Diese Debatte bedient  sämtliche Sündenböcke, die die SVP immer wieder gerne zitiert: Die EU ist an allem schuld, internationale Verträge sind an allem schuld und die Ausländer sind an allem schuld.

Video mit Positionen Glättli vs. Amstutz

Zuerst zur EU und den internationalen Verträgen. Schengen kann man durchaus kritisch betrachten, und eine Minderheit der Grünen hat das sogar bei der damaligen Abstimmung getan. Wenn man es aber kritisch betrachtet, dann soll man nicht, wie das die SVP macht, den freien Grenzverkehr kritisieren, der ein Fortschritt ist. Vielmehr muss man kritisieren, dass die Grenzkontrollen heute ins ganze Landesinnere ausgedehnt werden und es überall Schleierfahndungen gibt. Sie kritisieren, dass man frei reisen kann. Wir vermerken aus grüner Sicht positiv, dass es Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz nun möglich ist, ohne komplizierte Visa-Anträge ins Ausland zu reisen; das ist richtig so. Wenn wir Schengen kritisieren, dann deshalb, weil es eben auch ein Mittel ist, um die Festung Europa auszubauen, um die Aussengrenzen der EU zu militarisieren, um die Flüchtlingsabwehr mit polizeilichen und militärischen Mitteln voranzutreiben. In diesem Sinn ist Schengen beste SVP-Politik einer Festung des Wohlstandsraums, einfach auf europäischem Niveau.

Bei Dublin ist es das Gleiche. Sie sagen, dass Dublin nicht funktioniert. Ja, Dublin funktioniert nicht, aber nicht aus dem Grund, den Sie kritisieren. Dublin funktioniert deshalb nicht, weil es kein europäisches „burden sharing“ gibt, weil es eben keine Verteilung dieser gesamteuropäischen Flüchtlingsverantwortung gibt. Unsere humanitäre Verantwortung als europäischer Raum, auch zum Teil unsere Verantwortung als Schweiz, delegieren wir an jene Länder, die aus geografischem Zufall am Rande der Europäischen Union respektive des Dublin-Raums liegen. Mit den Folgen, dass Griechenland und Italien diese Ströme schlicht nicht mehr bewältigen können! Mit den Folgen, dass wir unter dem Strich materiell sehr viel weniger Gesuche behandeln müssen.

Man muss sich dann schon entscheiden, was man will. Wenn man das Dublin-Abkommen kritisiert – da würde ich mitmachen -, dann heisst das ganz konkret: Wir treten selbst auf diese Gesuche ein, wir prüfen sie selbst, und wir gewähren materiell jenen Leuten Schutz, die bedroht sind.

Nun zur Kriminalität. Nach dem „Abschreibdoktor“ hat die SVP ja nun die „Abschreibpolitik“ erfunden. Man hat in den letzten Tagen lesen können, wie sie mit den Statistiken im Bereich der Kriminalität der Asylsuchenden umgeht.

Wir dürfen die Kriminalität nicht verniedlichen, wir müssen die Diskussion aber versachlichen. Wenn man jetzt nicht nur diesen kleinen Bereich anschaut, den Herr Amstutz hier angesprochen hat, dann sehen wir: Die Kriminalität hat sich in den letzten dreissig Jahren immer wellenförmig bewegt. Wir hatten 2012 bei den Diebstählen mit 237 000 Diebstählen einen hohe Zahl, aber wir hatten 2004, als Herr Blocher Bundesrat war, sogar noch mehr. Wir hatten 2012 mit 61 000 eine hohe Zahl von Einbrüchen, aber 2004 waren es 70 000; im Jahr 1998 waren es 80 000 Einbrüche. 1982, als die Schweiz noch 6 und nicht 8 Millionen Einwohner zählte, hatten wir auch 10 000 Einbrüche mehr als heute. Ihr ganzes Gerede von der „Unsicherheitsexplosion“ und von der „Kriminalitätsexplosion“ ist schlicht eine statistische Lüge!

(leicht redigiertes Votum vom 17.4.2013)